Datum | 1965 |
höchste Platzierung | 5 |
Album | – |
Website | http://www.cliffrichard.org |
FÜSSE WIPPEN IM SENIORENSTIFT
Der Arme: Da war er gerade einmal 25 Jahre alt, und musste schon seine Seele verkaufen. Aber gut, nicht nur die, sondern auch ein paar Schallplatten, und zwar nicht nur in seiner Heimat, sondern auch außerhalb, also zum Beispiel in Deutschland. Die Plattenfirma wollte das so, das Management auch, und die Fans offensichtlich ebenfalls. Aber hatte er es nötig? Hat er schlichtweg das Kleingedruckte im Vertrag überlesen? Hieß es dort tatsächlich, jeder Song müsse nochmal für diverse Länder in deren Landessprache aufgenommen werden?
Dabei lief es auch so außerordentlich gut für den Briten, im Jahr 1965: Die Leser des New Musical Express wählten Cliff zum besten männlichen Sänger noch vor Elvis und den Beatles, vier Alben(!) eroberten die Hitparaden und drei TV-Specials wurden ihm gewidmet. Aber wie gesagt, wer das Kleingedruckte nicht liest, darf sich nicht wundern, wenn er seine eingängigen Schmusechansons hin und wieder mal auf Japanisch, Spanisch oder eben Deutsch zum Besten geben muss. Immerhin: Mit den Shadows hatte er eine äußerst passable Begleitband an seiner Seite, die selbst die kitschigsten Produktionen recht anständig zu meistern wussten.
„Es war keine so wunderbar wie du“ heißt im Original „I Could Easily Fall In Love With You“, und so wirklich haben die beiden Texte auch nicht viel gemeinsam, wenngleich sich die Thematik nicht wirklich voneinander unterscheidet. Hier erklingt es schwülstig: „Du sollst mir bittesehr nicht böse sein, nun weiß ich Darling: I love you. Und lass dir sagen, es war keine so, es war keine so wunderbar wie du.“ Und dort nicht minder: „Don’t ever change that smile you’re smiling now. And please don’t let me see you blue. Then I can tell you oh so easily, I could easily fall in love with you.“ Aber eigentlich sind die Inhalte hier eh irrelevant. So federleicht und beswingt, wie der Song sich in die Gehörwindungen hineindudelt, wird jede Coverband, sei es im Seniorenstift oder auf der Redefiner Hengstparade, umgehend das Zielpublikum auf seiner Seite haben. Selbst eine Trashtechno-Version wie die von jenem seltsamen Projekt namens Der Bürgermeister & Price funktioniert dann irgendwie:
Immerhin, zumindest bei jener Klausel hatte Sir Cliff Richard offenbar besser aufgepasst: Für Dancefloor- und Rave-Remixes hat er sich bis heute nicht hergegeben.
Aktuell (2019): Sir Cliff Richard wird bald 79 und tritt noch immer auf – in Dänemark und Großbritannien.
Urteil: Ein Hit wie ein Spa-Aufenthalt an der Ostsee. Oder der Besuch einer Kurklinik in Süddeutschland? Ach, die Allegorien. Auf jeden Fall ein softes Schlagermüsli zum Füße wippen.
Jan