Datum 1956
höchste Platzierung 8
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SEICHTER AUSFLUG EINES OPERNSTARS

Don Giovanni, Don Alfonso, Mephisto oder der beliebte Graf Almaviva in „Die Hochzeit des Figaro“ – der US-amerikanische Sänger Kieth Engen war eine feste Größe als Ensemblemitglied der Bayerischen Staatsoper und prägte ĂĽber mehrere Jahrzehnte hinweg die Opernwelt mit seiner markanten Bass-Stimme. „Das gesungene Wort gestaltete er nicht nur mit einer genauen, intensiven Deklamation sondern darĂĽber hinaus mit der Flamme und dem trefflichen, widerhallenden Klang des suchenden und gläubigen Geistes“ heiĂźt es in einem Nachruf auf der Website der Bayerischen Staatsoper.

Als er 1955 eben hier debütierte und seine Opernkarriere startete, schien der 30jährige allerdings noch ein wenig unentschlossen zu sein, wohin seine Reise zwischen E- und U-Musik wirklich gehen sollte: Also begann er zeitgleich auch ein paar Schlagerliedchen herauszubringen, mit denen er unter dem Dach des Plattenlabels Polydor ein völlig anderes Publikum ansprach. Um sich seine wachsende Reputation in der Opernbranche nicht zu verbauen, legte er sich ein Pseudonym zu und nannte sich fortan Stan Oliver, möglicherweise einfach nur zusammengesetzt aus den beiden Vornamen des einst berühmtesten Komikerpärchens Stan Laurel und Oliver Hardy, hierzulande besser bekannt als Dick & Doof.

Während er hier den König Heinrich in „Lohengrin“ mimte, sang er dort „Daddy, geh nicht fort von Alabama“, „Guter alter Mississippi“, „Das Geistertheater in Buffalo“ oder jene thematisch ähnlich veranlagte Foxtrott-Nummer, die von einem gruseligen Geisterschiff handelte, das nach langer Zeit wieder wie aus dem Nichts auftaucht. Oder wie es im Text heiĂźt:

„Im Sturm versank ein Schiff vor vielen Jahren, mit Maus und Mann ist es auf Grund gefahren. Das Geisterschiff vom Ohio war hundert Jahre nicht mehr da, doch heut nacht kam´s zurĂĽck nach Ohio, Jimmy Jones war der einzige, der das sah.“

Dazu pfeift und rauscht es unheimlich, zwischendurch setzen Bläser ein und Engen lässt sein bemerkenswertes Organ mit jeder Menge Dramatik durch mehrere Oktaven gleiten. Mancher glaubte in der Anfangssequenz sogar eine Hommage an Wagner herausgehört zu haben.

Sei´s drum, Stan Oliver war bald wieder Geschichte, als brillanter Operninterpret wurde er jedoch eine vielbeachtete und preisgekrönte Berühmtheit.

Aktuell: 2004 starb Keith Engen in Murnau am Staffelsee.

Urteil: Gesanglich musste sich Engen schon gewaltig unterfordert gefĂĽhlt haben, dennoch machte er das Beste aus seinem kurzen Ausflug in die leichte Musik. „Das Geisterschiff vom Ohio“ ist unterhaltsamer und stimmungsvoller als vieles, was „berufsmäßige“ Schlagersänger zu jenem Zeitpunkt, anno 1956, fabrizierten.

Jan

https://www.youtube.com/watch?v=ReY5kTzUbrk

Stan Oliver – Das Geisterschiff vom Ohio

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