DER GAY-COMMUNITY ZUGEWANDT

Datum 1988
Platzierung  3
Album Introspective
Website https://www.petshopboys.co.uk/

Kaum ein Duo hat im Jahr 1987 das Popbusiness dermaßen beherrscht wie Neil Tennant und Chris Lowe von den Pet Shop Boys. Die Auskopplungen aus ihrem zweiten Album „Actually“ landeten reihenweise auf den SpitzenplĂ€tzen: „It’s A Sin“, „Rent“, „What Have I Done To Deserve This?“, „Heart“ – bohemian-artiger, zuweilen ĂŒbermelodiöser und stringenter Elektropop aus England, der mit seinem komplett charisma-befreiten Charme die europĂ€ischen Charts bewĂ€sserte.

Mit dem dritten Studioalbum war eine nahtlose FortfĂŒhrung dieser Erfolgsserie geplant: „Introspective“ war eher ein Remixalbum als ein klassischer Longplayer, der zudem nur zwei neue Songs beinhaltete. Diese prĂ€sentierten sich wie die anderen ebenfalls in ÜberlĂ€nge: „Left To My Own Devices“ und „Domino Dancing“. Eben jenes StĂŒck – als 7:40 Minuten-Variante auf dem Album eher verunglĂŒckt – bot den gewohnt-aseptischen, chorus-fokussierten Synthiguss, jedoch dezent bereichert durch Latin-Gitarren-KlĂ€nge. In Spanien wusste man diese Neuorientierung mit einem Platz an der Chartsspitze durchaus anzuerkennen, in England (Spitzenplatz 7) und den USA (18) war die Resonanz deutlich bescheidener, gerade im Vergleich zum Vorjahr. Im RĂŒckblick meinte Tennant, man hĂ€tte wohl das Ende der Serie von Platz 1-Hits erreicht.

DafĂŒr schĂ€rften die beiden Briten mit dem Start ihrer neuen Karrierephase – gewiss nicht ohne Bedacht – ihr Profil in den Gay-Communities des Königreichs, stark akzentuiert im Musikvideo zu „Domino Dancing“. Das „Rolling Stone“-Magazin erkannte im hochĂ€sthetisierten Handgemenge der beiden puerto-ricanischen Darsteller um die Gunst des verfĂŒhrerischen Models an einem Strand den szenischen Höhepunkt eines „probably (…) most homoerotic pop video[s] ever made“. 1993 sollte mit „Go West“ eines der grĂ¶ĂŸten „Schwulenhymnen“ im Mainstream-Pop folgen – und nach lĂ€ngerer Zeit wieder die Top 2 der britischen Charts erobern.

Der Song selbst behandelte jedoch vor allem die Eifersucht und deren zerstörerische Wucht als wesentliches Thema. Dabei entstand die Leitidee nach Angaben von Tennant aus mehreren langweiligen Abenden im Hotel auf St. Lucia, die man mit Domino-Spielen verbrachte. Dabei feierte man seine Siege mit besonders ausschweifenden Tanzperformances. Die Dominosteine bildeten im Song schließlich die Analogie auf jene, die der enormen AttraktivitĂ€t eines besonders begehrten Menschen erliegen – und die letztlich wie eben jene Dominosteine reihenweise umfallen.

Anders als zunĂ€chst befĂŒrchtet sollten die Pet Shop Boys auch nach 1988 noch einen erheblichen Einfluss auf den Pop-Zeitgeist ausĂŒben. Ein Nummer 1-Erfolg gelang ihnen in England jedoch tatsĂ€chlich nicht mehr.

Aktuell: Die Pet Shop Boys sind weiterhin im GeschĂ€ft, neue Alben erscheinen regelmĂ€ĂŸig.

Urteil: Von einem Abflauen ihrer Karriere konnte 1988 nicht die Rede sein, 1990 brachten sie mit dem Album „Behavior“ einen echten Meilenstein auf den Markt. „Domino Dancing“ reiht sich nahtlos in die Diskographie der beiden Jungs ein: lĂ€ssig, eingĂ€ngig, aber auch etwas stumpf – trotz Latin-Gitarre.

Pet Shop Boys – Domino Dancing
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