Datum 1960
höchste Platzierung 8
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GRIECHISCHE SINNLICHKEIT AUS DEM GRAMMOPHON

Das war zu erwarten: Bei den Filmfestspielen von Cannes 1960 gewann das gesellschaftsanalytische Meisterwerk von Regisseur Federico Fellini „Das sĂĽĂźe Leben“ mit den Hauptdarstellern Marcello Mastroianni und Anita Ekberg die begehrte „Goldene Palme“. Aber dann durfte auch Regisseur Jules Dassin jubeln, fĂĽnf Jahre nach seinem letzten Festivalerfolg „Rififi“, fĂĽr welchen er den Preis in der Kategorie „beste Regie“ einheimsen konnte. Nach der Bekanntgabe der „besten Schauspielerin“ erhoben sich zwei hocherfreute Damen von ihren Plätzen und betraten die BĂĽhne: die Französin Jeanne Moreau, die zuvor  im Film „Stunden voller Zärtlichkeit“ groĂź aufgespielt hatte, sowie eine 40jährige Griechin, die fĂĽr ihre Rolle als putzmuntere Prostituierte in dem Streifen „Sonntags… nie!“ ausgezeichnet wurde. Melina Mercouri hatte ihren Durchbruch als international gefeierte Schauspielerin geschafft – und fĂĽnf Jahre später den hierfĂĽr verantwortlichen Regisseur Dassin vor dem Traualtar das Jawort gegeben.

Der Titelsong aus dem Film „Sonntags… nie!“ wurde vom griechischen Komponisten Manos Hadjidakis geschrieben und heiĂźt im Original „Ta Pedia Tou Pirea“ („Die Kinder von Piräus“). Es ist wohl eine der berĂĽhmtesten Szenen aus dem Film: Mercouri öffnet im Abendkleid und mit Zigarette im Mund den Grammophonkasten, legt eine Schallplatte auf, betrachtet das Mannschaftsfoto elf attraktiver FuĂźball-Jungspunde und beginnt zu singen: „Ap’to parathiro mou stelno ena dio. Ke tria ke tessera filia. Pou ftanoun sto limani ena ke dio. Ke tria ke tessera poulia…“ Der griechische Text handelt von einem „leichten Mädchen“, das von seiner Heimatstadt Piräus schwärmt und auf seine zukĂĽnftige Liebe wartet. 1961 gewann der Song den Oscar, Mercouri hatte jedoch schon zuvor den Sprung in die Charts geschafft.

Und zwar dank der Schlagertexterin Fini Busch, die sich mit der anspruchsvollen Aufgabe konfrontiert sah, dem Liedchen in kĂĽrzester Zeit einen einprägsamen Text zu verleihen. Heraus kam: „Ein Schiff wird kommen“, interpretiert von der inzwischen weit in die Jahre gekommenen „Lili Marleen“-Interpretin Lale Andersen, gecovert von vielen anderen Größen wie Caterina Valente, Dalida, Lys Assia – und auch Melina Mercouri. Jene musste sich ebenfalls dem Deutschzwang hiesiger Schlagerproduzenten unterwerfen und das Lied nochmal auf Deutsch einsingen. Ihre Version wurde von allen die „erfolgloseste“, lediglich Platz 8 stand in der Hitparade zu Buche. Es blieb ihre einzige Chartsnotierung, doch sie widmete sich eh leidenschaftlicher ihrer Schauspielkarriere – immer wieder mit Produzent und ihrem späterem Gatten Jules Dassin: „Phaedra“ (1961), „Topkapi“ (1963), „Halb elf in einer Sommernacht“ (1966), „Versprechen in der Dämmerung“ (1970) und „Traum einer Leidenschaft“ (1978). Man verstand sich offensichtlich sehr gut, nicht nur mit Ehevertrag.

Später war die Schauspielerin und Sängerin vor allem politisch aktiv: Erst mit klaren Statements gegen die griechische Militärdiktatur ab Ende der 60er Jahre, in den 80er Jahren schlieĂźlich als Kultusministerin im Kabinett des Ministerpräsidenten Andreas Papandreou. „Ein Schiff wird kommen“ sang sie jedoch nicht zur AmtseinfĂĽhrung…

Aktuell: Mercouri verstarb am 6. März 1994 an Lungenkrebs.

Urteil: Ein ansprechendes SchlagerstĂĽckchen, das dank der rauchig-markanten Stimme Mercouris und ihrer hohen Investition an Sinnlichkeit und Leidenschaft den Versionen der groĂźen Konkurrentinnen in nichts nachsteht. Aber ohne Ăśbersetzung, bitte.

Jan

Melina Mercouri – Ein Schiff wird kommen

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