Datum | 1989 |
höchste Platzierung | 1 |
Album | Looking For Freedom |
Website | http://davidhasselhoffonline.com |
PROVINZPOP UND KAUTSCHUKSCHLAGER
Früher, als Sendeformate wie die Daily Soaps vornehmlich den Amerikanern vorbehalten waren, gab es noch echte, qualitativ hochwertige Vorabendserien im deutschen Privatfernsehen. Ein Beispiel hierfür lieferte RTLplus ab 1988. Jeden Dienstag um 19:15 Uhr lief nicht etwa die Intrigenklamotte „Alles was zählt“, sondern eine Serie, in der so ziemlich fast alle Männerträume Platz fanden, die es nach „Miami Vice“ Ende der 80er Jahre noch geben konnte, mit coolen Typen, kurvenüppigen Frauen und vor allem schnellen Wagen. Eines von diesen Autos hieß K.I.T.T., konnte sprechen und gegebenenfalls, vor allem in kritischen Verfolgungssituationen, einen Turbo Boost aktivieren, der fast jeden Hochgeschwindigkeitszug alt aussehen ließ. Die Serie „Knight Rider“ erreichte Traum-Einschaltquoten – dabei war die letzte Folge bereits 1986 abgedreht worden.
So furchtbar hölzern und eindimensional das ganze inhaltliche Konzept mit dem Polizisten und seinem drolligen Gefährt („Michael, ich glaube, wir werden verfolgt“) auch war, „Knight Rider“ wurde innerhalb kürzester Zeit zu einer absoluten Kultserie. Und mit ihr jener Hauptdarsteller, der in der Rolle des Michael Knight seinen internationalen Schauspieldurchbruch erlebt hatte: David Michael Hasselhoff. Doch dessen Popularitätsgipfel sollte erst 1989 folgen: Zunächst entwickelte sich seine aktuelle Serie „Baywatch“ zu einer der meistgesehenen weltweit – und dann belegte er geschlagene acht Wochen die Spitze der deutschen Singlecharts.
Als Sänger hatte er sich zuvor vergeblich um Anerkennung bemüht, Alben wie „Night Rocker“ (1985) oder „Lovin‘ Feelings“ (1987) hatten in den USA nicht mal den Wert angebrannter Toastbrotscheiben, aber Hasselhoffs Heldenstatus in Deutschland – eifrig befördert durch die zeitgenössischen Musikzeitschriften wie die Bravo – machte ihn auf einmal zum Millionseller des Jahres. Der Titel „Looking For Freedom“, produziert vom Kautschukschlager-Produzenten schlechthin, Jack White, war 11 Jahre zuvor von einem schüchternen Mittelklasseinterpreten namens Marc Seaberg eingesungen worden. Nun feierte dieser impertinente Biermeilen-Provinzpop im mitklatschtauglichen Stampfrhythmus seine Renaissance – beschämt ignoriert von der heimischen Klientel in den USA, jedoch begeistert konsumiert vom deutschen Publikum.
Als Hasselhoff schließlich am 31.12.1989 am Brandenburger Tor mit seinem Hit vor riesigen Menschenmassen im „Blinklichtlederblouson und Klaviaturschal“ („1000 ultimative Charthits“, Lothar Berndorff, Tobias Friedrich, S. 501) auftrat, durfte der gebürtige Baltimorer endgültig dem Größenwahn verfallen und fortan die irrsinnige Meinung verbreiten, er hätte ebenfalls einen entscheidenden Anteil am Berliner Mauerfall gehabt. Dass er schließlich nicht seinen Platz im Museum für Checkpoint Charlie fand, muss im Nachhinein umso mehr gewürdigt werden.
Noch heute nutzt der längst in den Untiefen der Kultmumifizierung wohnhafte Altstar „The Hoff“ jede Gelegenheit, seinen ausrangierten Megahit zu performen. Und leider auch jedes Interview sich selbst zu demontieren – wie die Antwort auf die berechtigte Frage eines FOCUS-Journalisten offenbart, ob er nicht langsam gedenke, aus dem Showgeschäft auszusteigen: „(…) Es gibt noch so viel zu tun für mich. Ich habe die Berliner Mauer eingerissen, und ich höre nicht auf bis ich auch die chinesische Mauer geschafft habe.“ In China wird man diese Worte mit Zittern vernommen haben…
Aktuell: Und da es ja noch soviel zu tun gibt für den Hasselhoff alias Michael Knight, braucht man sich nur die Tourdaten auf seiner Webseite anzuschauen. Dazu Duett mit Blümchen, ARTE-Doku, neues Album „Open Your Eyes“… herrjeh
Urteil: Selbst wenn Revival-Anhänger vor Begeisterung die Hände über den Köpfen zusammenschlagen, wenn die ersten Worte ertönen („One morning in june, some twenty years ago…“) – es bleibt ein stupider Partyschlager für die Anhänger des einstigen Serienstars. Kult hin, Kult her.
Jan