Datum 1969
höchste Platzierung 9
Album
Website http://www.karelgott.com/nemecky/main.htm

BRÄSIG VERSCHNULZTER FILMSOUNDTRACK

1965 erschien das monumentale Filmepos „Doktor Schiwago“ in den deutschen Kinos. 1967 landete der entsprechende Soundtrack des Maurice Jarre Orchesters erstmals in den Charts. Und wiederum zwei Jahre später schmetterte der gebürtige Tscheche und frühere Elektrikerlehrling Karel Gott eine deutsche Variante dieser Schlagerschnulze in die deutschen Top 10. Es war überhaupt sein erster Beitrag, den er auf Deutsch verfasste, nachdem er bereits mehr als vier Jahre lang volkstümliche Lieder in seiner Heimatsprache zum Besten gegeben hatte. Womöglich hatte seine Plattenfirma Polydor die Chance gewittert, den 28jährigen Schönling mit einem beherzten Sprung auf die Schiwago-Welle zwischen Flensburg und Bodensee zu etablieren – und es sollte sich tatsächlich lohnen: Karel Gott war fortan aus der Schlagerlandschaft hierzulande nicht mehr wegzudenken.

Das Prinzip war ganze einfach: Die „goldene Stimme aus Prag“ kleistert quasi alles zu, was sich als wohlige Schmalzballade gut verkaufen lässt. Dafür eignete sich das Schiwago-Stück recht ordentlich. „Rot wie der Mond war dein Mund, rein wie der Schnee war dein Blick. Rauschende Wälder, glühende Felder, bringt mir mein Glück, einmal zurück.“ So begleitet Gott das Orchester streng nach Partitur und wer sich in diesem Moment nicht Dr. Jurij Schiwago voller Hingabe an seine Geliebte Lara Antipowa denkend vorstellen kann, der kann einfach nur hoffnungslos von Herzlosigkeit durchsetzt sein. Oder er hätte sich auch nicht vorstellen können, dass der tschechische Trällerkommunist die Titelmelodie des mit mehreren Oscars ausgezeichneten Kinoklassikers mit bräsigem Text und knödligem Gesang verpanscht, bis die Ohren anfangen zu jucken. „Zu dir, denn da nur will ich sein. Zu dir, aber ich bin allein.“ Wie anrührend.

Im Februar 1967 gab Karel Gott dem tschechischen Rundfunk ein Interview, in dem er sich unter anderem auch zur Idee hinter „Weißt du wohin“ äußerte: „Bisher hat in Deutschland noch niemand die Schiwago-Melodie gesungen. Die Deutschen sind aber hungrig darauf, sie endlich von einem Sänger zu hören, der sie mit deutschem Text interpretiert, damit sie mitsingen können. Bisher gibt es nur die Platte mit dem Original-Soundtrack mit Balalaikas und Streichern. Als reine Instrumentalversion hat sie sich bereits 200.000 Mal verkauft. Daraus schließen sie bei Polydor: Wenn meine Single am 20. Februar auf den Markt kommt, wird sie starken kommerziellen Erfolg haben – gerade im Vergleich zum Original-Soundtrack, der nicht ideal ist und sich dennoch 200.000 Mal verkauft hat.“ (Quelle: radio.cz)

Polydor sollte offenbar Recht behalten: Nach etlichen Wochen in den Charts gelangte der Titel im Januar 1969 bis auf Platz 9. Scheinbar wusste die Plattenindustrie auch Ende der 60er Jahre schon, wie sie den Hunger nach Mainstream-Trends angemessen zu befriedigen hatte…

Aktuell: Ein Karel Gott setzt sich nicht zur Ruhe: Ostergalas, Muttertagsgalas, Silbereisen-Sommerfeste, Veröffentlichungen auf Tschechisch, Compilations auf Deutsch – die „Goldene Stimme aus Prag“ wird einfach nicht heiser. Auch nicht mit 80 Jahren.

Urteil: Manche mögen das Zusammenspiel von verträumtem Gesang und Filmmelodie zu würdigen wissen – aber eigentlich war das völlig überflüssig. Instrumental soll instrumental bleiben.

Jan

Karel Gott – Weißt du wohin

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