Datum 1965
höchste Platzierung 7
Album
Website http://www.h-j-b.com/

GLUTENFREIER BIEDERMEIERSCHLAGER

Seiner Popularität, vor allem jedoch seinen enormen sportlichen Erfolgen war es zu verdanken, dass die bis dato eher als olympische Randdisziplin wahrgenommene Sportart Eiskunstlauf einen regelrechten Boom in Deutschland erfahren sollte. An der Seite seiner kongenialen Partnerin Marika Kilius gewann er unzählige Preise und er wurde zum Shootingstar in der deutschen Medienlandschaft. Zwischenzeitlich zierte er häufiger die Titelbilder der BRAVO aus den Jahren 1964 und 1965 als die üblichen Schwiegermutterheroen aus Film, Funk und Fernsehen wie Pierre Brice, Thomas Fritsch, Lex Barker und Horst Buchholz. Hans-Jürgen Bäumler war der Liebling der Medienlandschaft – und entsprechend gnadenlos als Teil der kulturellen Wertschöpfungskette über alle Kanäle gleichermaßen vermarktet worden: als Sänger, als Moderator, als Schauspieler.

Sein Chartsdebüt gelang ihm mit „Wunderschönes fremdes Mädchen“ im Jahr 1964, zeitgleich startete er seine Schauspielkarriere. Obgleich der österreichische Heimatfilm bis dahin längst die Grenzen des Erträglichen in jeglichen Geschmacksfragen neu definiert hatte, Bäumler geriet an noch hanebüchenere Drehbücher und gruseligere Regieeinfälle. So bekam das Publikum in Filmen wie „Die Liebesquelle“ („verkappter Nudistenfilm“, evangelischer Filmbeobachter), „00Sex am Wolfgangsee“ („kaum zu überbietende Albernheit“, film-dienst) und „Das sündige Dorf“ („denkbar schlichte Machart“, Lexikon des internationalen Films) die ganze Bandbreite des Zotenkitsches auf Stammtischniveau auf die Leinwände projeziert. Aber der Dachauer Bub hielt sich schadlos, machte trotz seiner wenig berauschenden schauspielerischen Leistungen bei seinen Auftritten eine charmante Figur und schaffte den virtuosen Übergang in die gediegene deutsche TV-Spielfilm und -Serien-Manege.

Als Schlagerconferencier war er noch bis 1976 aktiv, nachdem er zuvor schon acht Jahre mit Single-Veröffentlichungen ausgesetzt hatte. Der letzte Top 10-Hit stammt noch aus dem Jahr 1964 und heißt „Sorry Little Baby“. Das Stück mit konventionellen Bläsereinsätzen und einem dosierten Damengeträller im Hintergrund liefert glutenfreien Biedermeierschlager, der in dreifacher Abspielgeschwindigkeit womöglich auch nach Connie Francis hätte klingen könnte. Das Thema? „Sorry little Baby, doch es ist vorbei. Sorry little Baby, eine Liebelei ist mir zu wenig. Weil ich nur für was ganzes bin. Geh doch hin, geh zu ihm…“ Irgendeine Geschichte irgendeines Jünglings, der seine irgendwie nicht ganz verbindliche Liaison mit einer jungen Schönheit beenden möchte. Originell und wild geht anders, mehr als Platz 7 hatte diese dröge Tanzcafe-Nummer für gemütliche Canasta-Sonntage nicht verdient.

Ehrlich gesagt: Da klingen Filmtitel wie „Paradies der flotten Sünder“ oder „Almenrausch und Pulverschnee“ irgendwie doch allemal – vielversprechender…

Aktuell: Bäumler war zuletzt noch auf einigen Theaterbühnen unterwegs. Seine Website weist allerdings keinerlei Aktualisierungen auf.

Urteil: Das insgesamt solide Arrangement täuscht jedoch nicht darüber hinweg, wie limitiert Bäumlers Gesang im Hinblick auf Nuancierung und Dynamik ist: Nasale Trägheit trifft auf hausbackene Partitur.

Jan

Hans-Jürgen Bäumler – Sorry Little Baby
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