Datum 2004
höchste Platzierung 9
Album Viel
Website http://diefantastischenvier.de/

KALORIENARME KULTPFLEGE

Irgendwann kommt wohl auch fĂĽr altgediente Rap-Pioniere der ersten Stunde jener Moment, in dem sie sich vor allem auf die Verwaltung ihrer langen Karriere konzentrieren. 15 Jahre nach GrĂĽndung der Band und etlichen Verkaufserfolgen hatten es die Fantastischen Vier nicht wirklich nötig, mit der neuen jungen wie ehrgeizigen Hip Hop-Society um Sido und Azad ernsthaft konkurrieren zu mĂĽssen. Und fĂĽnf Jahre nach dem letzten Album „4:99“ waren die Stuttgarter mit ihrer Comeback-Platte „Viel“ so stark im Pop angekommen wie nie zuvor. Somit konzentrierten sie sich vornehmlich auf unaufgeregten Entspannungsrap: „Geboren“, „Pipis und Popos“, „Sommerregen“ und „Hey“ – sie sind nun mal ein bisschen in die Jahre gekommen.

Insofern machte es auch zweifelsfrei Sinn, sich in selbstreferentieller Kultpflege zu ĂĽben, wie es Smudo, Thomas D, Michi Beck und And.Ypsilon in „Troy“, der ersten Auskopplung aus dem „Viel“-Album, versuchen. So geht es in dem Titel letztlich vor allem darum, jenen Kritikern den Boden unter den FĂĽĂźen wegzuziehen, die allmählich leise Zweifel hätten äuĂźern können, inwiefern die Fantas es noch immer nötig hatten, ihren unbestreitbaren Nimbus als Pioniere des deutschsprachigen Hip Hop zu verteidigen. Vielleicht tatsächlich wegen der Fans, die sie nun schon so lange begleitet hatten? Der Text spricht fĂĽr sich: „Du hattest gute Zeiten, wir waren mit dabei, wir werden dich begleiten, wir bleiben troy.“

Diese „Troye“ machte sich allerdings nun nicht mehr so glänzend bezahlt wie zu den glorreichen Zeiten in den 90er Jahren, wo sie mit „Sie ist weg“ und „MfG (Mit freundlichen GrĂĽĂźen)“ die Charts nur so aufmöbelten. „Troy“ quälte sich mĂĽhevoll auf Platz 9. Vielleicht war ein solcher Partydampfer auch nicht mehr so ganz nach dem Geschmack der alteingesessenen Anhängerschaft. Die Hookline wirkt etwas kalorienarm, die Raps sind auf einem durchschnittlichen Niveau – vor allem wenn man weiĂź, wozu die Schwaben sonst fähig sind. An einigen Stellen des Textes merkt man jedoch die alte Souveränität, spielerisch mit Endreimen zu jonglieren: „Du weiĂźt, Du und ich das war schon was. Wir rauchten Stash und Weed und Gras en masse. Ich hab dich vollgetextet, du hast zugehört, wir hatten tollen Sex mit allem Zubehör.“ Das zieht immer noch!

Vieles an dem Text ist eine etwas biedere Absage an jegliche neue „Popstars“ und Bands, deren Beständigkeit in Zeiten des Castingshow-Wahnsinns (gerade liefen fast zeitgleich DSDS, Popstars und Star Search) recht ĂĽberschaubar ist und die deshalb den Fantas niemals das Wasser reichen können. Der Rest ist schlicht eine „Liebesgeschichte zwischen uns und den Fans“ (Smudo auf laut.de).

Darf man sich nach 15 Jahren im Geschäft ja eigentlich auch mal erlauben.

Aktuell: „Captain Fantastic“ heiĂźt ihre letzte Platte. Zum 30. BĂĽhnenjubiläum gibt’s eine Ausstellung und Vinyl.

Urteil: Insgesamt eine solide Vorstellung, der jedoch ein bisschen der Drive und der bĂĽbische Charme abgeht. FĂĽr eine Comebacksingle der Fantas nicht feurig und wortverspielt genug.

Jan

Die Fantastischen Vier – Troy
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