Datum | 2003 |
höchste Platzierung | 4 |
Album | The Stadium Techno Experience |
Website | http://www.scootertechno.com/ |
SCHWACHSINN AUS DER TECHNO-VORHĂLLE
Ja, manchmal braucht es nur einen einzigen Song, um die eigene AnhĂ€ngerschaft gegen sich aufzubringen und bei dieser sĂ€mtliche GlaubwĂŒrdigkeit zu verspielen. Ein schönes Beispiel hierfĂŒr lieferte der in Frankfurt am Main gebĂŒrtige Marc Trauner, den die meisten Technofetischisten unter dem Namen Marc Acardipane kennen. Der Musikproduzent und DJ gehört zu den selbsternannten Pionieren des Hardcore Techno, ganz unbescheiden lĂ€sst Acardipane sich auf seiner Webseite sogar als „Godfather“, „Schöpfer“ und „Legende“ titulieren. Seine Pseudonyme sind mindestens so zahlreich wie die Regler seines Mischpultes, mit dem er seine Tracks produziert. So publizierte er unter anderem als Pilldriver, Ace The Space, Dogge Team und Floficker. Als Marc Acardipane presents Marshall Masters feat. The Ultimate MC brachte der Technoguru 1997 den Song „I Like It Loud“ heraus. Spartanische Beats, ein paar gröhlende Shouts und eine grĂ€sslich kirmestaugliche Hookline waren die Ingredienzen, mit denen die Clubs zum Beben gebracht wurden.
Vielleicht war es die Perspektive, dem Anfang der 2000er Jahre ziemlich dahinsiechenden Technogenre noch irgendwie entkommen und auf die kommerzielle Zugkraft eines seit Jahren etablierten Gaga-Danceprojekts setzen zu können. Vielleicht war es aber auch schlichtweg Leichtsinn, als Acardipane seine sechs Jahre alte Clubhymne 2003 zusammen mit Scooter aufnahm. Die treue Fangemeinde, die Acardipane von seinem ersten Hardcore-Label PCP bis zu seiner „Resident E“-Compilation gefolgt war, bekam kollektiv einen Herzstillstand, als sie die Selbstausbeutung ihres JĂŒngers wahrnehmen musste. Was fĂŒr Scooter ein weiterer, fĂŒr eine dritte Single-Auskopplung (Album: „The Stadium Techno Experience“) sogar ĂŒberraschend groĂer Hitparadenerfolg war, bedeutet fĂŒr den eigentlichen Urheber von „I Like It Loud“ eine erhebliche ErschĂŒtterung seiner Reputation. Kurzum: Die Acardipane-Fanbase war von jener „Zusammenarbeit“ ziemlich angenervt. Der DJ selbst versucht dies auf seiner Homepage wie folgt zu erklĂ€ren bzw. erklĂ€ren zu lassen:
„Zu groĂ war die Ablehnung gegenĂŒber einem ‚Kommerz-Projekt‘ wie Scooter, zu gering das VerstĂ€ndnis fĂŒr den Schöpfer selbst, der nicht zum bereits dritten (!!!) Mal mit ansehen wollte, wie ein Anderer versucht mit seinem Lied erfolgreich zu sein. (…) Speziell die Dance-Szene, deren Musik-Videos nach und nach, zahlreich und ohne gröĂere BegrĂŒndung aus den Rotationen der entsprechenden Sender verbannt wurden, musste stark (…) leiden â UmstĂ€nde, mit denen sich auch Marc anfreunden und abfinden musste, die aber fĂŒr einen Teil seiner AnhĂ€ngerschaft nicht die geringste Rolle spielten und er deshalb immer wieder den so genannten ‚Split zwischen der Hardcore-Szene und Marc Acardipane‘ propagierte.“
Letztlich war die Aufregung jedoch umsonst: Der Song in der Scooter-Variante ist zwar ein grausig primitiv zusammenproduziertes Machwerk mit tumben Haudraufgestampfe fĂŒr Bluthochdruckpatienten, entnimmt dem Original jedoch nichts von seiner OriginalitĂ€t, die man eh vergeblich auf beiden Versionen sucht. Der groteske Auftritt von Ralf Möller im dazugehörigen Musikvideo fiel da auch nicht mehr groĂ ins Gewicht, dafĂŒr lernte H.P. Baxxter – welch romantische Anekdote – bei den Dreharbeiten seine spĂ€tere Ehefrau Simone kennen. Acardipane hingegen setzte seine Laufbahn unbeeindruckt fort und verschwand wieder in den Ăberresten jener Halbwelt des Technos, die 2003 lĂ€ngst um ihr Ăberleben kĂ€mpfen musste. Wie steht es so schön auf www.resident-e.net: „Es bleibt also noch viel zu tun fĂŒr Deutschlands vergessenen Sohn des Techno.“
Aktuell (2019): Das 20jÀhrige JubilÀum begingen die End-Vierziger mit der Wiederveröffentlichung all ihrer bisherigen Alben. Das 25-JÀhrige verbringen die drei Jungs auf Tournee.
Urteil: Krachlederner Schwachsinn mit humorlosem Stampfbeat, der in Neubrandenburger GroĂraumdiskotheken garantiert fĂŒr weiche Knie auf der TanzflĂ€che sorgt. FĂŒr den Wohnzimmerkonsum zu unertrĂ€glich.
Jan