Datum 1985
höchste Platzierung 10
Album No Jacket Required
Website http://www.philcollins.co.uk/

BRAV-BANALE OLDSCHOOL-BALLADE

Wieder einmal wurde der KĂ€ufer von der Nahaufnahme seines Gesichts geradezu erdrĂŒckt, aber immerhin: Diesmal war das Cover seines nunmehr dritten Soloalbums ein wenig farbiger geraten, in einem satten Rot, und das im Gegensatz zu jenem seines DebĂŒts „Face Value“, dessen Titel im Wesentlichen die Verarbeitung seiner ersten Scheidung behandelten – der trostlosen Mimik von Phil Collins konnte man jene schwere Zeit auf dem Foto auch deutlich ablesen. Aber inzwischen, 1985, hatte sich einiges verĂ€ndert: Collins war wieder glĂŒcklich verheiratet und „No Jacket Required“ versprach nach dem arg kritisierten VorgĂ€nger „Hello, I Must Be Going!“ solides Pophandwerk abzuliefern.

Vielleicht war es damals noch nicht jedem bewusst, viele wollten dies auch nicht wahrhaben und tun es heute gewiss noch nicht: Phil Collins war Mitte der 80er Jahre zum absoluten Weltstar aufgestiegen, zuweilen begab er sich hinsichtlich seines Popstatus sogar auf die brĂŒchigen Treppenstufen hin zum Gigantismus eines Michael Jackson, freilich ohne dessen gnadenlose Selbstinszenierung zu kopieren und ebenfalls freilich ohne die tiefe Verneigung der Musikjournalisten, die dem ehemaligen Genesis-Gitarristen nie so wirklich ĂŒber den Weg trauten. In einem ZEIT-Interview antwortete er auf die Frage, ob ihn die Journalisten aus jenem Grund hassen wĂŒrden, weil er zuviele Hits geschrieben hĂ€tte, recht pragmatisch: „Das klingt nach einer furchtbar platten ErklĂ€rung. Aber es mag die richtige ErklĂ€rung sein.“ (Quelle: ZEIT)

„One More Night“ gehörte zu jenen kompromisslosen Welterfolgen: Der Song war die erste Auskopplung aus dem „No Jacket Required“-Album und erreichte ausgerechnet in den USA (anders als in der Heimat Großbritannien) die Spitze der Charts. Geschmirgelter Pop mit gelegentlichen Textraffinessen sowie autiobiografischen BezĂŒgen und klirrender Drum-Performances – wie bei „In The Air Tonight“ oder „I DonÂŽt Care Anymore“ – ist „One More Night“ allerdings nicht. Eher wirkt die Ballade wie eine etwas gekĂŒnstelte Persiflage auf die zuvor noch recht authentisch wirkenden Veröffentlichungen knapp vier Jahre zuvor: zu brav die MelodiefĂŒhrung, zu unterfordert der SĂ€nger, zu klischeebesetzt die Pianoszene im Musikvideo. „Können Sie zugeben“, fragte derselbe ZEIT-Redakteur den Briten, „dass Ihr Großhit ‚One More Night‘ von 1985 auf Ă€ußerst simplen Harmonien aufbaut?“ Collins antwortete: „Es ist ein einfacher Song, richtig. Es war eine Reaktion, eine Abgrenzung von den aufwendigen Songschreiber-Prozessen, die bei Genesis stattgefunden hatten.“

Diese Abgrenzung war ihm gelungen – es wĂ€re jedoch definitiv nicht nötig gewesen. Und auch hinsichtlich des Single-Covers hĂ€tte mit Hilfe eines tĂŒchtigen Grafikers oder Fotografen etwas Originelles entstehen können. Doch so wie der Titel infolge des geistesabwesenden Herumspielens mit einem Drumcomputer in aller Schnelle produziert worden war, entstand auch das dazugehörige Coverbild: Dieses zierte – natĂŒrlich – der Meister selbst. Genau genommen war es sogar exakt das gleiche wie jenes vom entsprechenden Album. Nur diesmal in blau…

Aktuell (2019): 2019 ist das Comeback-Jahr von Phil Collins. Schwer vom Alter gezeichnet und nahe an der InvaliditĂ€t vermag er dennoch große Arenen mit seinem Charisma zu befĂŒllen.

Urteil: SchwÀchere Liebes-Ballade des Popbarden, die zwar durch dessen mÀrchenhafte Soulstimme getragen wird, dem aber letztlich auch viel BanalitÀt innewohnt.

Jan

Phil Collins – One More Night
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2 Gedanken zu „Phil Collins – One More Night

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