Datum 1984
höchste Platzierung 5
Album The Legend
Website http://www.valeriedore.it/

SIRENENARTIGE TRANTÜTENNUMMER MIT BEIGESCHMACK

Die junge Dame wusste sich gut zu inszenieren. Was blieb ihr auch übrig, immerhin stand sie zumeist allein auf der Bühne, und musste inmitten des üblichen Eisnebels und einiger flackernder Discoleuchten die Zuschauer mit ihrer Präsenz in den Bann ziehen. Blonde Riesenmähne, dramatische Mimik sowie energische Gesten ließen jedoch keinen Zweifel entstehen: Hier fühlte jemand, was sie sang, nämlich Leidenschaft pur. Oder zumindest eine beeindruckende Karikatur davon, denn ob die Anfang 20jährige Italienerin Monica Stucchi während ihrer Auftritte tatsächlich etwas fühlte, durfte bezweifelt werden. Sie sang nämlich gar nicht. Sie bewegte nur die Lippen zu den Songs. Ein echter Fall von „Frank Farianismus“ inmitten der grassierenden Italo Disco-Welle in den 80er Jahren. Der verantwortliche Produzent hieß Roberto Gasparini (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen argentinischen Fußballspieler) und stieg gerade mit ein paar erfolglosen Aufnahmen für Amanda Lear und Lettieri in den Popzirkus ein. Aber sein wertvollstes Rennpferd hieß Valerie Dore, und jenes bescherte Gasparini den Durchbruch im Business. Und zwar eben mit jener Monica Stucchi als Stummkaraoken-Frontfrau, die den Gesang von der eigentlichen Sängerin Dora Carofiglio lippensynchronisierte.

Carofiglio wiederum sang neben dem Valerie Dore-Projekt zeitgleich in einer Band namens Novecento, die ebenfalls dem Italo Disco-Genre zuzuordnen war, und heiratete kurz nach deren Gründung 1984 Lino Nicolosi, der neben dem Produzenten Gasparini an „The Night“ als Autor mitgewirkt hatte. Dieses ganze Faktenkonglomerat ist aber letztlich genauso wenig interessant wie der Song selber, der in Deutschland bis auf Platz 5 rauschte, ausgerechnet in Italien jedoch nur Platz 16 erreichte. „Romantic Dance“ wurde der Stil von Valerie Dore genannt, ein eher unnötiger Pseudo-Genrebegriff, der diesen öligen Keyboard-Brei wie „The Night“ überaus euphemistisch beschreibt.

„All my friends are talking to me, what’s this love I see. I know you can make it right. I’m still waiting now.“ Das waren dann auch schon die einzig erwähnenswerten Verse, die vom sirenenartigen Gesang Carofiglios zum Besten gegeben wurden. Jener ist zumindest noch das Bemerkenswerte an einer rundherum völlig unbemerkenswerten Trantütennummer, die sich unter den sonst flotteren Diskothekentiteln aus Italien nur aufgrund des balladeskeren Stils hervorhebt. Wie aus diesem Song sowie dessen Nachfolgern „Get Closer“ und „It´s So Easy“ ein ganzes Album („The Legend“) zusammengeschustert werden konnte, bleibt dabei genauso ein großes Rätsel wie die Gleichgültigkeit der Frontfrau Monica Stucchi, die ihr Publikum konsequent zum Narren hielt.

Ihre Versuche später mit der eigenen Stimme zu punkten, schlugen schließlich fehl. Dore Nicolosi, geborene Carofiglio, die „echte“ Sängerin von Valerie Dore, konnte mit Novecento sich noch ganz erfolgreich in die 90er Jahre retten. Vielleicht waren sich beide Damen im Jahr 2003 für eine kurze Zeit relativ einig darin, was die „Würdigung“ ihres einstigen „gemeinsamen“ Erfolgs anging: „The Night“ als Coverversion von Scooter hatten sie nun wirklich nicht unbedingt verdient…

Aktuell: Die Homepage von Valerie Dore existiert zwar noch, weist aber nur begrenzte Funktionalitäten auf. Stucchi hatte sich zwar 1991 nach Madagaskar zurückgezogen und der Gesangslaufbahn den Rücken gekehrt, seit 2007 tritt sie jedoch wieder als Valerie Dore im TV auf.

Urteil: Dröge Italo Disco-Pappmaché-Nummer ohne Erinnerungswert, die sich bis heute auch nicht wirklich als Kultsong behaupten kann. Einzig der Gesang Nicolosis versprach hoffnungsvolle Ansätze.

Jan

 

Valerie Dore – The Night
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2 Gedanken zu „Valerie Dore – The Night

  • Der mit Abstand beste Italodisko Song den ich kenne! Vor allem mit eigenem Stil, wundervoller Melodie und bezauberndem Gesang. Vor allem weil er sich weder nach Italo, noch nach „Euro Disco“ anhört. Ein wundervoller New Romantic Song, damals wie heute, wobei auch „Get Closer“ einen Blick wert ist..

     

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