Datum 1967
höchste Platzierung 5
Album The Letter/Neon Rainbow
Website http://www.boxtops.com/

KURZ, PRÄZISE, MEILENSTEIN

Warum können sich nicht mehr Dinge im Leben in viel kĂŒrzerer Zeit abspielen? Was wĂ€re, wenn ein Formel 1-Rennen lediglich zwei Runden andauern wĂŒrde? Ein regulĂ€rer Arbeitstag schon nach drei Stunden zu Ende wĂ€re? Wenn man den Weg von Berlin nach MĂŒnchen in eineinhalb Stunden mit dem Zug bewĂ€ltigen könnte? Oder die UniversitĂ€tslaufbahn in zwei Semestern? In der Geschichte der deutschen Singlecharts-Top 10 gibt es keinen einzigen Titel, der kĂŒrzer ist als „The Letter“ von The Box Tops. In 1:58 Minuten ist hier alles drin, was einen guten Popsong ausmacht: eine eingĂ€ngige Hookline, ein gewandter Text rund um eine kleine rĂŒhrende Liebesgeschichte und ein ordentlicher Blue-Eyed-Soul-Beat. Was braucht man mehr?

The Devilles, Ronnie and the Devilles, The Box Tops – das waren die Namen, mit denen sich die Band aus Memphis, Tennesse Anfang der 60er ihre ersten Fankreise erschloss. Nicht nur der Bandname wechselte zu Anfang hĂ€ufig, auch die Mitglieder kamen und gingen in jener Zeit regelmĂ€ĂŸig. 1967 war es soweit: Der Countrymusiker Wayne Carson Thompson wurde ins American Sound Studio in Memphis eingeladen, um dort fĂŒr den Studioinhaber Chips Moman an diversen Produktionen mitzuwirken. Thompson schrieb „The Letter“ und integrierte darin einen Vers, den ihm sein Vater vorschlug: „Give me a ticket for an aeroplane“. An einem Samstag morgen ging es los, am Nachmittag ggen 17 Uhr hatte man 33 Takes abgearbeitet, bis der kurzfristig fĂŒr Moman eingesprungene Studiokomponist Dan Penn mit dem Produkt einigermaßen zufrieden war. Chef Moman war hingegen alles andere als begeistert: Vor allem das am Ende eingesetzte StartgerĂ€usch eines Flugzeugs störte ihn gewaltig, worauf Penn entgegnete: „Gib mir diese Rasierklinge dort drĂŒben… und ich zerschneide dieses verdammte Band ein fĂŒr allemal. Das Flugzeug bleibt drauf, ansonsten haben wir keine Aufnahme.“ (Quelle: britische Wikipedia) Das saß – „The Letter“ kam in jener Fassung in die LĂ€den und wurde ein bombastischer Erfolg.

In den USA gelang der Band um SĂ€nger Alex Chilton ein Nummer 1-Erfolg, in allen sonstigen Hitparaden landete man auf den vorderen PlĂ€tzen. Dazu kamen zwei Grammy-Nominierungen. „The Letter“ wurde zu einem Hit fĂŒr die Ewigkeit, an dem The Box Tops spĂ€ter vergeblich anzuknĂŒpfen versuchten. Vielleicht lag es an dem  hinreißenden Text, in dem der junge Mann sich nach seiner weit entfernt befindlichen Freudin sehnt, die ihm einen Brief geschrieben hatte und er nun umgehend mit dem Flugzeug aufsuchen möchte? „Anyway, yeah gimme a ticket for an aeroplane, I ain’t got time to take a fast train, lonely days are gone, I’m a-goin‘ home, ‚Cause my baby just wrote me a letter.“ Oder an dem eigentlichen Erfolgsgeheimnis dieses temporeichen Rocksongs, seine KĂŒrze?

Letztlich: Wievielen anderen Songs der Popgeschichte hĂ€tte die ein oder andere Minute weniger nicht auch ganz gut getan…?

Aktuell: Von einer offiziellen Auflösung der Box Tops ist an sich nicht die Rede, doch mit dem Tod des LeadsÀngers Alex Chilton 2010 verlor die Band nicht nur ihre charismatische Frontfigur, sondern auch jegliche Lust am Weitermachen.

Urteil: Rauher kerniger Gesang, produktionstechnisch prĂ€zise eingespielte AkkordverlĂ€ufe, markanter 60er-Rock: Ein kurzes, aber intensives Rock-VergnĂŒgen in knapp 2 Minuten.

Jan

The Box Tops – The Letter
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3 Gedanken zu „The Box Tops – The Letter

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