Datum | 2006 |
höchste Platzierung | 1 |
Album | Laut gedacht |
Website | http://www.silbermond.de |
GEFÜHLIGER STUDENTENPOP
Aus der Reihe „Interviews, die keiner braucht“ hat sich vor allem die Online-Ausgabe der SPD-nahen Zeitung „Vorwaerts“ ganz besonders hervorgetan. Exemplarisch hierfür könnte man ein Gespräch mit Silbermond aus dem Jahr 2006 nennen, das u.a. auch der SPD Stadtverband Witten stolz auf seiner Homepage präsentierte. So bekommt beispielsweise die Frage „Wie unterscheidet sich Euer neues Album vom zweiten?“ die Antwort von Sängerin Stefanie Kloß, die sie verdient: „Das erste war das erste und das zweite ist das zweite. Das ist schon mal der Unterschied.“ Später ergänzt Gitarrist Thomas Stolle völlig trocken: „Es sind auf beiden 15 Lieder drauf.“ Dann wollte der Reporter wissen: „Was gehört zu Erfolg dazu? Eigenes Können oder Glück?“ Darauf Thomas: „Ich glaube, es ist genau eine Mixtur daraus…“ Um anschließend ein paar dröge Allgemeinfloskeln über das Geheimnis professioneller Musikkarrieren zum Besten zu geben. Inzwischen dürften die Bautzener weitestgehend die Wahl haben, welchen Medien sie sich gegenüber äußern wollen.
„Laut gedacht“ war im Jahr des deutschen „Sommermärchens“ das zweite Album von Silbermond und bot weitestgehend durchdeklinierten Softrock, der sich bequem im Windschatten von Juli, aber hinsichtlich seines Anspruchs fernab von Wir sind Helden bewegte. Während letztere Band jedoch eher das Bildungsbürgertum bediente, machten Silbermond – die Platte machte es besonders deutlich – eine Art unprätentiösen Studentenpop. Solide, ehrlich, zum Anfassen. Wirkungsvolle Melancholie wird den Liedern gern mal beigemischt, dazu träufelt Stefanies Gesang zusätzlichen Pathos in die dramaturgisch gezeichneten Songverläufe. „Das Beste“ könnte dieses Silbermond-Handwerk nicht besser vorführen, offenbart zugleich aber die großen Schwierigkeiten der Band: Die Texte. „Du bist das Beste, was mir je passiert ist. Es tut so gut wie du mich liebst. Vergess‘ den Rest der Welt, wenn du bei mir bist.“ Hieran hätte sich Andrea Berg durchaus auch versuchen können und ein paar kullernde Schlagerrhythmen darunter bauen können. Zäh auf die hoch und runter flackernde Melodieführung des Refrains dehnt sich der Text gekünstelt entlang, und das Ganze wäre recht schmierig geratener Deutschpop, wenn Stefanie nicht ziemlich viel Gefühl in ihre Performance hineinlegen würde. Dem Pressetext ist auch zu entnehmen warum: „Wenn ich dieses Lied singe, denke ich an meinen Vater, denn sein Tod hat mir gezeigt, wie plötzlich jemand, der dir wichtig war, einfach nicht mehr da ist. Deshalb ist es umso wichtiger jede Minute zu schätzen und einfach glücklich darüber zu sein, Menschen um sich zu haben, die für dich da sind.“ (Quelle: Pressetext)
Die Deutschen nahmen ihr das zweifellos ab: Der Song rauschte direkt an die Spitze der deutschen Charts – der erste Nr. 1-Hit für Silbermond und direkt der Weg in die heimische Popelite. Kein Grund mehr also für das sächsische Quartett, sich von Parteienzeitschriften das Mikrofon vor den Mund halten zu lassen.
Aktuell (2019): Frisch aus Kloss‘ Babypause zurück, präsentiert die Band direkt einen neuen Song: „Mein Osten“.
Urteil: Bewegende und gefühlvoll vorgetragene Liebesballade, die unter die Haut geht – aber ein paar unschöne Schwächen bezüglich der Lyrik aufweist.
Jan