Datum | 1998 |
höchste Platzierung | 2 |
Album | Ray Of Light |
Website | http://www.madonna.com/ |
MELODRAMATISCHER ELEKTROSCHMACHTER DER SUPERMAMA
Er spielt kein Piano. Er spielt tatsächlich kein Piano. Und eigentlich kann er gar nicht viel mit Instrumenten und so, der William Mark Wainwright. Aber er beherrscht die Gitarre und: „I have a good ear and that’s how I do all the classical stuff. Computers give you that freedom; you don’t have to see the music as dots on the page and you can break free of conventions.“ (Quelle: telegraph.co.uk). Ein gutes Ohr muss er tatsächlich haben, schließlich zeichnet der Brite verantwortlich für eines der erfolgreichsten und besten Alben Madonnas in ihrer langen Popbiographie: „Ray Of Light“. William Wainwright, den man in der Öffentlichkeit vor allem als William Orbit kannte, hatte die Platte produziert und der fast 40jährigen US-Amerikanerin musikalisch in eine neue Richtung gelenkt.
Das kam zum richtigen Zeitpunkt, denn Madonna durchlebte beruflich wie privat eine recht gute Phase: Seit zwei Jahren war sie Mutter einer Tochter, mit dem Film „Evita“ schaffte sie es das erste und einzige Mal als Schauspielerin, die Kritiker für sich zu gewinnen und den „Golden Globe“ mitzunehmen, und nun hatte sie zudem das richtige Händchen für den richtigen Produzenten ihres neuen Sounds. Dieser Sound unterschied sich komplett von dem müden Popsoufflé des Vorgängeralbums „Bedtime Stories“ (1994), der irgendwie keine richtigen Hits hervorbrachte und seltsam unambitioniert gewirkt hatte. Das Comeback nach vier Jahren musste also sitzen, und zwar in jeder Hinsicht.
Die neue Inszenierung ersetzte die nymphomanische Marilyn-Monroe-Kopie mit den platten Soulpop-Avancen durch die fernöstlich orientierte Supermama und -hexe, die sich nun im dunklen Gaultier-Gewand durch die Mojave-Wüste bewegt. Zumindest im Musikvideo, das außer ein paar schwarzen Vögeln und einem schwarzen Hund vor allem die in ebenfalls pechschwarz verhüllte Diva in allen möglichen Yoga-Verrenkungen präsentiert.
Im gemächlichen Tempo mit dem typisch Orbitschen Klangmuster – tiefe hallverstärkte Synthiestreicher – doziert Madonna in jener Elektroballade über die emotionalen Defizite ihres Partners, der einfach nicht dazu bereit ist, sein Herz zu öffnen: „You’re so consumed with how much you get. You waste your time with hate and regret. You’re broken… when your heart’s not open.“ Wie sie später offenbar betonen musste, war mit jener emotional „eingefrorenen“ Person nicht etwa ihr Exfreund Carlos gemeint, sondern Leute im Allgemeinen. Im Nachhinein vielleicht aber auch jener belgische Musiker Salvatore Acquaviva, der eine Urheberrechtsverletzung wegen Plagiats erhob. Da laut des Gerichts die ersten vier Takte tatsächlich gravierende Ähnlichkeiten mit dem Song „Ma vie fout le camp“ aufweisen würden, durfte „Frozen“ in Belgien fortan nicht mehr verkauft oder gespielt werden.
Madonna konnte es wohl verschmerzen, ihr melodramatischer Emo-Schmachter preschte weltweit in die Hitparaden und sorgte dafür, dass die Welt auf jenen Briten aufmerksam wurde, der fortan große Begehrlichkeiten weckte, unter anderem bei Britney Spears, Pink und den Sugababes. Aber da hatte sich Madonna schon längst wieder ein neues Image zugelegt…
Aktuell: Madonna ist und bleibt für Schlagzeilen gut: Zuletzt mit ihrem verkorksten Comeback-Versuch und ihrem Album „Madame X“, das eher bescheidene Resonanz bekam.
Urteil: Der neue Sound saß perfekt: „Frozen“ gehört zu den gelungeneren Würfen in den 90er Jahren. Trotz der gewissen Längen des Stücks funktionieren Atmosphäre, Gesangsperformance und die weichen Strings im Hintergrund.
Jan