COUNTRY-TRAP WIE AUS DER ZEIT GEFALLEN
Twitter, Soundcloud und TikTok – über diesen Weg ist Lil Nas X alias Montero Lamar Hill mit seinem 2019er Überhit „Old Town Road“ zur Berühmtheit geworden. So ungewöhnlich, wie sich sein Werdegang über die sozialen Netzwerke entwickelte, ist der Künstler auch durchaus selbst.
Datum | 2019 |
Platzierung | 1 |
Album | 7 |
Website | – |
Was die „ZEIT“ immerhin als „wichtigste Nullmeldung der Woche“ verkündete, galt in dem häufig rein geschäftsgetriebenen und zuweilen testoreon-überschüssigen Goldkettchenzirkus der US-amerikanischen Hip-Hop-Industrie als eine echte Revolution: Lil Nas X‘ „Bekenntnis“ als Homosexueller. Und damit ist er nicht nur einer der wenigen bekennenden schwulen Rapper überhaupt, sondern zudem der erste in der langjährigen Billboard-Geschichte, der sein Outing als amtierende Nummer 1 der Charts vornahm. Es scheint, als hätte ein 20-jähriger Newcomer aus Georgia neue Toleranzschwellen überwunden, die in Zeiten republikanischer Regierungsherrschaft unter Trump fast schon verschüttet zu sein schienen.
Zudem gelingt ihm mit „Old Town Road“ eine durchaus aparte Mischung aus – und auch hier darf die ZEIT zitiert werden – „knatterndem Südstaaten-Trap und Country-Twang“. Pferde, Bullenreiten, Rodeos – der Text spielt mit klassischen Western-Referenzen, und lässt zugleich offen, ob die Cowboy-Analogien schlicht selbst-referentiell sind oder Sub-Botschaften im Rahmen einer ironischen Überhöhung vermitteln. Sei es drum, der Genremix in „Old Town Road“ wurde bald als zu country-lastig für die Hip Hop-Charts eingestuft, wodurch er aus der entsprechenden Hitliste gekegelt wurde. Erst nach einem brachialen Shitstorm und einem zusätzlichen Gesangspart durch den altehrwürdigen Country-Titanen Billy Ray Cyrus wurde er in den Country-Charts erneut gelistet. Doch das war für den Erfolg letztlich unerheblich: In nahezu allen weltweit relevanten Charts schaffte es der Song bis auf Platz 1. Und in den USA schaffte er mit 19 (!) Wochen auf Platz 1 sogar einen echten Rekord – länger hat es kein anderer Titel vor ihm an der Spitze ausgehalten.
Aktuell: Mit neuen Veröffentlichungen nach seinem Debütalbum „7“ hält sich Lil Nas X momentan noch zurück. Kein Wunder, nach der fast sintflutartigen Erfolgswelle, der er sich 2019 ausgesetzt sah.
Urteil: Betont lässige Reminiszenz an die Hochzeiten der amerikanischen Country-Kultur mit punktuellen Trap-Einflüssen. Einige Grammys dürften ihm sicher sein.