Datum | 1979 |
höchste Platzierung | 7 |
Album | Tusk |
Website | http://www.fleetwoodmac.com |
SCHNEIDIGES MARSCH-POWERSTÜCK
Nach dem enormen Erfolg des 1977er Albums „Rumours“ mussten sich die Fans von Fleetwood Mac schon gelegentlich fragen, welche Form der Steigerung nun noch möglich sein konnte. 40 Millionen verkaufte Tonträger, Grammy-Auszeichnung, Platz 1 in den US-Charts: Es war eines der erfolgreichsten Alben der Musikgeschichte. Insofern war es wohl weniger Übermut als vielmehr eine realistische Einschätzung der eigenen Fertigkeiten, sich so allmählich auf die ersten Solopfade zu begeben. Denn Songs schreiben, und zwar recht gute, konnten Stevie Nicks, Lindsay Buckingham und Christine McVie wohl gleichermaßen. Noch während sie ihre ersten Vorbereitungen für die ersten Soloplatten trafen, kam das „Triumvirat“ (fleetwoodmac.net) erneut mit Mick Fleetwood zusammen, um ein 12. Album aufzunehmen. Die Stimmung innerhalb der Band war zwar eher bescheiden, vor allem die beiden Damen im Team (Nicks und McVie) galten als schwer zähmbare Rivalinnen – aber für „Tusk“ hatte man sich wieder in Hochform gebracht.
Das Resultat sorgte in der Musikwelt für Irritationen: Es wurde nicht nur ein Doppelalbum daraus, zudem offenbarten sich die Songs als ungewöhnlich schwermütig, aber auch zuweilen experimentell und untereinander kaum zusammenhängend. Countryklänge, wuchtige Rock-Pop-Kompositionen und dezente Blues-Retro-Avancen wechselten sich ab, die 20 Songs machten quasi vor dem brachialen Mainstream-Kurs kehrt und zogen sich in die Vertraulichkeit nächtelanger Studiosessions zurück. Die Folge: „Tusk“ blieb hinter den kommerziellen Erwartungen zurück, sorgte jedoch für begeisterte Kritiken.
Allein der Titelsong hatte es in sich, fiel dieser doch ebenfalls weitestgehend aus der Reihe. Geschrieben wurde das Lied von Lindsay Buckingham, der das gesamte Arrangement um Drumparts aufbaute, die Fleetwood für ihn produziert hatte. „Tusk“ wirkt wie eine langsam eskalierende Choreographie mit einem charakteristischen kasernenartiger Rhythmus. Dieser wurde zusätzlich von der USC Trojan Marching Band (heute The Spirit of Troy) aus dem südlichen Kalifornien unterstrichen, einer Truppe, die sich selbstbewusst als „The Greatest Marching Band in the History of the Universe“ bezeichnete und später auch für The Offspring und Radiohead mit den Stiefeln trampelte und auf die Trommeln schlug. Wenn Fleetwood Mac „Tusk“ auf der Bühne vor Publikum spielten, hatte die „Marschband“ häufig einen effektvollen Auftritt. Vor allem angesichts der ab 1979 über 11 Monate langen Welttournee, war dies nicht gerade selten der Fall.
Viele starke Kompositionen prägten das Album, der Titeltrack ragt fast popartig heraus – aber diesem schneidigen, vorwärts drängenden Rhythmus kann sich keiner entziehen, und das trotzig hervorgebrachte „Don’t say that you love me!“ bzw. „Tusk!“ dürfte auf jedem Konzert wild zuckende Menschenmassen hervorgebracht haben. Schließlich war dies stets eine besondere Stärke der Band, galant zwischen tiefgründiger Bluesmelange und simplen Soundtexturen zu pendeln, ohne wirklich den individuellen Stil zu verleugnen.
Da macht es auch nichts, wenn „Tusk“ heute vor allem, gespielt von einigen weiteren „Marching bands“, als nette Hintergrundbeschallung etwaiger College football Turniere herhalten muss. In diese Liga müssen es große Songs auch erstmal schaffen!
Aktuell: 2019 waren Fleetwood Mac auf Tour, vornehmlich in Australien, Kanada und den USA.
Urteil: Energisches drumlastiges Powerstück, das aus dem gewohnten Oeuvre Fleetwood Macs extrem herausfällt. Ein geniales kleines Meisterwerk: Hier wird der Rhythmus geradezu heilig gesprochen!
Jan
Am 5. Juni 1980 sollten Fleetwood Mac im Rahmen der Tusk-Tour in der Dortmunder Westfalenhalle auftreten. Die Halle war komplett bestuhlt, dennoch war der Einlass relativ früh und so konnte man zumindest eine ganze Weile die Bühne und das geschmückte Mikro von Stevie Nicks bestaunen. Aber dann kam der Konzertveranstalter auf die Bühne und verkündete dem noch spärlich anwesenden Publikum, dass das Konzert ausfallen muß. Mick Fleetwood sei hinter der Bühne kollabiert. In den Folgetagen konnte man dann in der Zeitung lesen, dass die Band nach dem Vorabendkonzert in Köln so hart gefeiert hat, dass auch die anderen kaum in der Lage waren, aufzutreten. Und ich hatte mich so auf „Tusk“ gefreut, für mich noch heute das beste Album dieser FM-Besetzung.