Datum | 1989 |
höchste Platzierung | 9 |
Album | Methods Of Silence |
Website | http://www.camouflage-music.com |
GESCHLIFFEN, TRANTÜTIG – MIT FAGOTT
Depeche Mode! Das müssen Depeche Mode sein! Nein, sind sie aber nicht, und Heiko, Marcus und Oliver dürften wohl spontan an die Decke gehen, wenn man ihnen heute noch in irgendeinem Interview ausgerechnet mit der britischen Elektropopband daherkommt. Aber der Vergleich drängte sich nun mal sofort auf, nach dem ersten Überraschungshit „The Great Commandment“ 1987. Gegründet hatte sich die Band Camouflage jedoch bereits vier Jahre zuvor, in einer sympathischen 42.000-Seelen-Stadt namens Bietigheim-Bissingen in Baden-Württemberg. Hier, zwischen dem Fräuleinsbrunnen, der Villa Visconti und dem Hexenwegle, wurde ein Stück deutsche New Wave-Geschichte geschrieben und späteren Genre-Vertretern wie And One, Deine Lakaien und De/Vision der Weg bereitet.
Filigraner, schnörkelloser Synthisound mit garantierten Wohlfühlmomenten lieferte das Trio nach „Voices & Images“ vor allem auf ihrem zweiten Album „Methods Of Silence“, das bei manchen Songs („Feeling Down“, „A Picture Of Life“, „AnyOne“) wie ein Remix der frühen Depeche Mode-Platte „Speak & Spell“ wirkt und schon deswegen den Vergleich mit den Urvätern des Elektropops geradezu aufdrängt.
„Love Is A Shield“ passt dabei perfekt in das musikalische Korsett von Camouflage: Keuscher melodischer Darkwave-Verschnitt als gehobene Langeweile, irre brav und ziemlich bieder. Dazu braucht man nicht einmal das Musikvideo zum Song in Augenschein zu nehmen, das drei verträumte Betriebswirtschaftsstudenten auf Kursfahrt inmitten einer Wüste und beim Spielen von Gitarre, Trommel und Fagott zeigt. „Love is a baby in a mother’s arms, love is your breath which makes me warm, and when I sometimes close my eyes, my mind starts spinning round…“ Geschliffene Liebeslyrik meets Trantütengesang, eingebettet in säuselnde Elektrorhythmen – dafür ist weniger Marcus´ leicht gelangweilte Stimm- als vielmehr eine Klangperformance verantwortlich, die keine anarchische Sprünge oder fetzige Bridges erlauben, sondern allenfalls monotone Fagotteinsätze von der Tastatur. Kurz: Rückblickend hätte man Camouflage einen deutlich spannenderen Hitparadenerfolg gegönnt. Dennoch gelang 1989 der Aufstieg in den Charts bis auf Platz 9.
In einem Interview mit pagandance.de antwortete Sänger Marcus Meyn auf die Frage, ob er auf bestimmte Songs heute eher verzichten könnte: „Es gibt schon Stücke, die ich heute nicht mehr aufnehmen würde. Das lässt sich auch gar nicht vermeiden.“ Um noch zu ergänzen: „Aber ich erzähle dir nicht, welche.“ „Love Is A Shield“ wird er nicht gemeint haben. Oder?…
Aktuell: Camouflage sind noch immer regelmäßig bei Konzertauftritten zu sehen. Das Nebenprojekt von Marcus Meyn, M.I.N.E., veröffentlichte Anfang 2017 die erste Single: „Things We’ve Done“.
Urteil: Mehr als netter Soft-Elektropop mit sonorem Gesang ohne jeden Höhepunkt lässt sich hier nicht finden. Depeche Mode hätten hier deutlich mehr Variabilität investiert. Sorry, Jungs…
Jan