Datum 1961
höchste Platzierung 5
Album
Website http://www.ramsey.de/

SWINGENDER ORIENT-WITZ

Ihn gewissermaßen als ein Gastarbeiter der Schlagerbranche zu bezeichnen, trifft es wohl doch am besten: Bill Ramsey brachte den Duft von musikalischer Weltmännischkeit in die von piefiger Romanzengrütze weitestgehend durchdrungenen einheimischen Verkaufshitparaden. Der gebürtige US-Amerikaner war seit Anfang der 50er Jahre als GI bei der United States Air Force in Deutschland stationiert und vertrieb sich seine Zeit nebenher mit Auftritten in diversen Jazzclubs. Bei einigen Veranstaltungen trat er zusammen mit Paul Kuhn und James Last auf und machte so in der Jazzszene zunehmend auf sich aufmerksam. 1958 hielt er seinen ersten Plattenvertrag in Händen – seine Gesangkarriere nahm nun Fahrt auf.

Der unüberhörbare Dialekt, das sehr voluminöse Organ und sein verschmitztes Babyface-Gesicht machten ihn zu einer echten Ausnahmeerscheinung, dazu hatten seine Lieder zumeist einen launig humoristischen Charakter, der sich wohltuend von den Freddy-, Valente- und Mouskouri-Produktionen abzuheben verstand. So passte auch die „Zuckerpuppe (von der Bauchtanz-Truppe)“ nahtlos in sein Oeuvre, der Song schaffte 1961 einen souveränen Chartserfolg in Deutschland. Ramsey griff hier die Orient-Affinität der Deutschen auf, die vor allem den langjährigen Klatschgeschichten rund um die deutsch-iranische Kaiserliche Majestät von Persien und Frau des Schahs, Soraya, zugewiesen wurde. Die Regenbogenpresse (seit jeher mitunter auch als „Soraya-Presse betitelt)  riss sich förmlich um ihr Leben am persischen Hof, sie galt als „Deutsche auf dem Pfauenthron“, die für viele Frauen hierzulande als Vorbild diente und die weibliche Idealvorstellung einer prunkvollen Prinzessinnen-Existenz in einer der exotischsten Regionen der Erde verkörperte.

Die „Zuckerpuppe“ von Ramsey wird hierzu passend als geheimnisvolle orientalische Bauchtanzschönheit beschrieben, die den Sänger mit all ihren Verführungskünsten zu betören weiß: „Die kleine süße Biene mit der Tüllgardine, die man nicht durchschauen kann. Suleika, Suleika tanzte auf mich los. Ja, die Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe setzte sich auf meinen Schoß.“ Am Ende wird sie von ihm jedoch als seine ehemalige Bekannte aus einer nordrhein-westfälischen Großstadt enttarnt: „Dann hob die süße Biene ihre Tüllgardine vor mir plötzlich in die Höh‘. ‚Elfriede, Elfriede!‘ rief ich durch den Saal, denn die Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe kannte ich aus Wuppertal!“ Ein Swingschlager mit kerniger Schlusspointe, das sollte Ramsey erstmal jemand nachmachen.

Aktuell (2019): Unglaublich: Der 88-Jährige swingt, jazzt und schlagert unverdrossen weiter, sei es in seiner wöchentlichen Radiosendung auf hr2 kultur, bei Auftritten in Gunzenhausen, Lübbecke oder im Ostseebad Ahrenshoop.

Urteil: Raffiniert komponierter Swingschlager des Altmeisters der leichten Jazzkost, charmant interpretiert und mit einem ironischen Blick auf deutsche Befindlichkeiten.

Jan

Bill Ramsey – Zuckerpuppe
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