Datum | 1962 |
höchste Platzierung | 10 |
Album | – |
Website | – |
SCHNULZENSCHLAGER AUS DER TIEFE DES HERZENS
Italiener, die es in Deutschland zu großem Ruhm gebracht haben? An Namen dürfte es in diesem Fall nicht fehlen: Terence Hill beispielsweise ist gebürtiger Venezier, seine Mutter jedoch heißt Hildegard und kam in Dresden auf die Welt. Giovanni di Lorenzo erblickte in Stockholm das Licht der Welt, seine Eltern stammten jeweils aus Italien und Deutschland. Und der Sieger der 8. DSDS-Staffel 2011 Pietro Lombardi bringt die italienischen Wurzeln väterlicherseits bereits in seinem Namen mit. Und dann wäre da noch Signore Casagrande, Vorname Vittorio. 1934 wurde er in Vittorio Veneto geboren, noch während des Krieges, 1944, zog er mit seiner Familie nach München.
Zunächst arbeitete Casagrande als italienischer Staatsbediensteter im Fremdenverkehrsamt, bis Paul Kuhn seine Auftritte in einem Beatclub in Schwabing bewunderte und dem 27jährigen Beamten zu einem Schallplattenvertrag bei Electrola verhalf. Casagrande sorgte mit südländischer Exotik und klassischem Schlagerschmelz für einen soliden Bekanntheitsgrad hierzulande. Dazu trat er seit den 70er Jahren auch immer öfter als Schauspieler und Entertainer in Erscheinung. Aber erfolgreich war er vor allem mit seinen vielen leichtfüßigen Schlagerliedchen, die er seit 1960 in die Hitparaden brachte: „Tintarella Di Luna“ (1960), „Eine Gitarre und tausend Illusionen“ (1969) oder natürlich der Gassenhauer „Cuando Calienta El Sol“, vom Deutsch-Italiener als „Liebe, die nie vergeht“ dargeboten.
Während das Original anrüchig wie geradezu unverhohlen die gegenseitige Zuneigungsbekundung am Strand thematisiert (zumindest in Strophe 1), wird im Deutschen deutlich braver getextet: „Liebe, die nie vergeht, möchte ich dir geben. Liebe, die nie vergeht, schenke ich dir.“ Aber egal mit welchen Strophen versehen, der gemächlich vor sich wiegende Schlager transportiert so viel spätsommerliche Sentimentalität vor sich her, dass selbst der müdeste Hochzeits-DJ mit seinem Roland-Keyboard dieses Liedchen nicht irgendwie zu einem anständigen Klammerblues-Ausklang hinkriegen könnte. Hier ein Beispiel des beliebten Keyboard-Virtuosen Manfred Nemec:
Signor „Volare“ Vittorio lässt bei seiner Version seinen feinsten italienischen Akzent walten und trotzdem klingt er ein bisschen wie der jüngere Rudi Carrell – ansonsten sind große Unterschiede zu den zahlreichen alternativen Versionen auf Italienisch, Deutsch und Deutsch-Italienisch kaum auszumachen. Eine Schnulze bleibt eine Schnulze bleibt eine Schnulze. Punkt. Oder auf Italienisch: „La canzone suona in tutte le versioni della stessa.“ Bitte berichtigen, wenn notwendig…
Aktuell: Vittorio Casagrande verstarb 2008, die BILD berichtete und zitierte Ehefrau Marlene: „Er saß aufgerichtet in seinem Bett. Ich habe meine Arme um ihn gelegt, sein Gesicht gestreichelt. Plötzlich hat er immer weniger geatmet, ist bleich geworden und hat seine Augen geschlossen.“
Urteil: Hingebungsvoll komponierter Tränendrüsen-Schlager, der in der Version von Vittorio genauso die Emotionen weckt wie alle anderen auf Italienisch vorgetragenen Varianten. Das heißt schon was!
Jan