Datum 1977
höchste Platzierung 1
Album Baccara
Website http://www.baccara-web.de/

 

DISCO-GEMÜSE MIT SPANISCHEM AKZENT

Spanischer Akzent, hauteng anliegende Kleider und Sexhotline-Stimmchen – Mayte Mateos und Maria Mendiola hatten dank ihrer deutschen Produzenten Rolf Soja (Mireille Mathieu, Ireen Sheer, Hildegard Knef) und Frank Dostal (Rattles-SĂ€nger, spĂ€ter Texter von Vader Abraham, Nico Haak u.a.) den besten Zeitpunkt fĂŒr ihre Disco-KonfitĂŒre erwischt. Die spĂ€ten 70er verlangten vor allem nach jungen, hĂŒbschen und gesanglich aufreizenden Goldkehlchen, mit denen die Zuschauer bei Sendungen wie dem altehrwĂŒrdigen „Top Of The Pops“ berauscht werden konnten. Nachdem sie mit „Yes Sir I Can Boogie“ in kaum einem europĂ€ischen Land die Nr. 1 der Hitparaden verpasst hatten, schossen sie gleich mit dem Nachfolgetrack ebenfalls in die luftigen Höhen der Verkaufscharts: In Deutschland wurde es gar erneut eine Nr. 1-Platzierung. Das war schon phĂ€nomenal fĂŒr ein spanisches Gesangsduo, das eigentlich zunĂ€chst mit Ballett und Flamenco-Auftritten sein Geld verdiente.

Das Problem bei Baccara war nicht unbedingt die ziemlich billig produzierte Soundkarosserie rund um ihren konsequent leiernden Duettgesang mit spanischem Dialekt, das eigentlich Nervige ist dieses fehlende Charisma, das Fehlen jeder BĂŒhnenprĂ€senz, diese drögen Choreographien, die eher den Anschein hatten, man versuche sich an den ersten Lektionen der GebĂ€rdensprache als an jenen Talenten, die sie einst ins Popmusik-Business befördert hatten. Das Erfolgsrezept: HĂŒfte kreisen lassen, die Arme vorstrecken und das alles so peinlich exakt synchron, als wĂŒrde jedes Abweichen von den vorgeschriebenen Tanzschritten mit dem Einsatz eines ElektroschockgerĂ€tes bestraft werden. Und warum sich die beiden MĂ€dels – genauso wie ihre Nachfolgerinnen, die das Baccara-Projekt begleitet hatten – immer in schwarz und weiß kleiden, bleibt auch rĂ€tselhaft.

Nachdem die beiden Ende 20jĂ€hrigen Spanierinnen also mit dem ersten Erfolg „Yes Sir I can Boogie“ die TanzflĂ€chen abgegrast hatten, folgte nun mit „Sorry IÂŽm A Lady“ das gleiche Konzept nur mit einer leicht variierten Akkordfolge, man musste schließlich einen gewissen Wiedererkennungseffekt erzeugen. Textlich gab man sich, wie schon beim Premierenhit, eher wenig MĂŒhe auf SubtilitĂ€t und beließ es bei ein paar Phrasen, in denen „Frau“ ihre Forderungen an den Mann geltend macht und das zukĂŒnftige VerhĂ€ltnis zu jenem erlĂ€utert: „I need power, I need passion, give me more than sympathy“ und „Sorry IÂŽm a lady, sorry IÂŽm a lady, I would rather be, rather be, just a little shady, just a little shady, naughty dynamite, dynamite.“ Über solche SelbstbehauptungsansprĂŒche der beiden Synchronmiezen wĂŒrde sich Lady Gaga wohl nur königlich amĂŒsieren können.

Aktuell (2019): Als Baccara treten heute noch auf: Mayte Mateos (in schwarz) und Paloma Blanco (in weiß). 2011 gab es einen Auftritt beim Festival „Appen musiziert“ in der NĂ€he von Hamburg, 2016 ein Comeback, mit der Single „I Belong To You Heart“. 2017 erschien ein neues Album.

Urteil: Disco-GemĂŒse, das trotz spanisch akzentuierter Gesangserotik und einem leicht verdaulichen Refrain nur ein mĂŒdes Mitsummen provoziert. Entfesseltes 70er-Revival-Abhotten? Nicht mit Baccara.

Jan

https://www.youtube.com/watch?v=_-rlXGvMiNA

Baccara – Sorry, I’m A Lady
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4 Gedanken zu „Baccara – Sorry, I’m A Lady

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