Datum | 1978 |
höchste Platzierung | 4 |
Album | Love Machine |
Website | http://www.supermax.cc/ |
PROGRESSIVER DISCOFUNK
Stadt-Land-Fluss. Nennen Sie fünf berühmte österreichische Musiker. Falco! Und weiter? Rainhard Fendrich! Peter Alexander! Freddy Quinn! Semino Rossi. Und im Popbereich? Hm, Falco wieder. Aber wer kommt schon auf den Namen Kurt Hauenstein? Mit diesem Stigma hatte sich Mr. „Supermax“ allerdings schon zu Lebzeiten arrangiert: „Österreich ist ein schönes Land, die Menschen aber sind ein bisserl gewöhnungsbedürftig. Und die jungen Leute wissen gar nicht, dass es mich gibt“, bekannte der gebürtige Wiener 2008 im Rahmen der Verleihung des Pop-Amadeus für sein Lebenswerk (Quelle: oliverplischek.jimdo.com). Zu Unrecht, denn dem Musiker mit dem charakteristischen Backenbart und der langen wallenden blonden Haarmähne gelang eine stilprägende Mischung aus Disco, Reggae und Funk, die Ende der 70er Jahre ihresgleichen suchte. Mit seinen vielbeachteten Auftritten in Südafrika und der DDR Anfang der 80er Jahre trotzte er Apartheid und Sozialismus, nur kurze Zeit später war er Bandleader der ersten weißen Gruppe, die bei einem Reggaefestival in Jamaica auftreten durfte. Obwohl politisch weitestgehend unambitioniert, leistete er mit Supermax gewissermaßen Pionierarbeit in Sachen Völkerverständigung.
Vor allem vermochte Hauenstein die klassischen Grenzen des Pop erfolgreich zu sprengen: Die Songs von Supermax waren vor allem geprägt von ausgedehnten Intros, ungewöhnlicher Länge und rhythmischer Monotonie – völlig unüblich im Sinne der Radiotauglichkeit. „Lovemachine“, der Überhit aus seiner unermesslichen Materialsammlung, brachte es immerhin auf 8:37 Minuten. Die „erotische Lässigkeit“ (Süddeutsche Zeitung) von Hauensteins Stimme, der eingängige Bassverlauf, die später einsetzenden Synthieinsätze, das dezente Gitarrentremolo und der ungewöhnlich kraftvolle Beat des Titels könnten problemlos als musikalischer Auftakt eines surrealistisch-verstörenden Lynch-Thrillers dienen. Alternativ ließe sich damit auch ein dilettantischer 70er Jahre Softporno würdevoll akustisch unterlegen. Eben jene atmosphärische Tiefe und progressive Discofunk-Attitüde gehören zu jener aufregenden Rezeptur, mit welcher Supermax Meilensteine wie „It Ain´t Easy“, „Don´t Stop The Funk“ oder „Fly With Me“ schuf. An „Lovemachine“ kamen jedoch auch diese Titel nie wirklich heran.
Sein Einfluss auf die vor allem in den Neunziger Jahren blühende DJ- und Clubkultur ist heute unbestritten. In einem seiner wenigen Interviews, die sich von Hauenstein finden lassen, lässt er allerdings kein gutes Haar an seinen Branchenkollegen. Auf die Frage eines Journalisten von diepresse.com, wie sich das Musikgeschäft verändert habe, entgegnet der 59jährige: „Jeder Trottel hat einen Computer daheim und glaubt, er ist ein Künstler. So viel verkannte Genies wie in Wien gibt’s nirgendwo. Für die meisten wär’s g’scheiter, einen anständigen Beruf zu lernen. Was ist so interessant dran, da oben zu stehen und ‚blim blim‘ zu machen?“
Nichts, wenn man nicht Supermax heißt – und als verkanntes Genie seiner Heimat Österreich in Richtung Deutschland den Rücken kehrt. Den ganz großen Ruhm erreichte Hauenstein aber auch hier zu Lebzeiten nie – als Exportschlager war Falco, nicht nur beim Spiel Stadt-Land-Fluss – für das hiesige Publikum einfach interessanter.
Aktuell: Kurt Hauenstein starb in der Nacht vom 20. zum 21. März 2011 an Herzversagen. Ganz geklärt sind die Todesumstände allerdings nicht.
Urteil: Grandiose, nicht eine Sekunde langweilige Funkhymne, die dank präzise eingesetzten Effekten und coolem Gesang einen Genremeilenstein darstellt.
Jan