Datum | 2000 |
höchste Platzierung | 1 |
Album | The Marshall Mathers LP |
Website | http://www.eminem.com/ |
DÜSTER-EPISCH VS. FEINFÜHLIG
„He’s totally different and totally out there. He’s so intelligent. His rhymes and stuff, I mean, they’re genius.“ (Quelle: mtv.com) Kein schlichter Fan, kein populistischer MTV-Moderator äußerte diese nahezu euphorischen Lobeshymnen auf Eminem, den vielleicht einflussreichsten Rapper zu Anfang der Jahrtausendwende überhaupt. Diese Worte stammten von einem echten Profi – 31 Jahre, weiblich, aus London, Name: Dido. Für die Sängerin stand es außer Frage, ihre Einwilligung zur Verwendung des Samples aus ihrem Song „Thank You“ (1998) zu geben. Obwohl Titel Nummer 6 ihres Debütalbums „No Angel“ eher einen sanftmütig-versöhnlichen Ton anschlägt, bei „Stan“ jedoch in Eminems düster-epische Stalker-Story eingebettet wird. Ein Meisterwerk und vielleicht der Gipfel der Schaffenskraft des weißen Hip-Hop-Genies aus Missouri.
„Stan“ ist die dritte Single-Auskopplung aus dem Album „The Marshall Mathers LP“. „The Real Slim Shady“ und „The Way I Am“ waren noch ziemlich impulsive und selbstbeweihräuchernde Proletenstücke, doch der Nachfolger lieferte nun ein überraschend ambitioniert durchinszeniertes, wortgewaltig erzähltes Drama. Berichtet wird von einem Eminem-Fan namens Stanley, der seinem Idol mehrere Briefe schreibt, jedoch vergeblich auf dessen Antwort wartet und sich überhaupt von ihm ignoriert fühlt. Als der Star schließlich doch zur Feder greift, ist es bereits zu spät: Stan begeht im Auto Suizid mit einem Sprung über die Klippe und reißt dazu seine schwangere Freundin, die er im Kofferraum gefangenhält, in den Tod. Düsterer könnte wohl ein Song im Jahr 2002 kaum produziert sein, inklusive einem aufwändig bebilderten Musikvideo, das die gesamte Tragödie in einer Aneinanderreihung trostloser Szenerien zusammenfasst.
Selten haben trockene Rapstrophen und ein feinfühlig interpretierter Refrain derart perfekt harmoniert wie hier. Storytelling, Chorus, Beat, alles passt perfekt zusammen. Eminem unterstreicht zweifellos die Souveränität, mit der er den „weißen“ Hip Hop in den Mainstream überführt hat, ohne ihm seinen Charakter zu entwenden. Dazu zeigte sich sein Gespür für erfolgreiches „Sample-Scouting“ – schließlich war es Kollege 45 King, Produzentenikone der 90er Jahre, welcher Didos „Thank You“ in Form eines TV-Mitschnitts mit eher magerer Soundqualität an Eminem verschickte. Es sollte sich lohnen: In der Liste der 500 besten Songs aller Zeiten, ermittelt von der US-amerikanischen Rock- und Pop-Zeitschrift „Rolling Stone“, landete der Song auf Platz 290, zwischen den Beatles mit „Can’t Buy Me Love“ (Platz 289) und The Zombies „She’s Not There“ (Platz 291).
Und auch die Kritik sparte nicht mit enthusiastischen Lobpreisungen: „the album’s most haunting track“ (LA Times), „an astute study in extreme fandom“ (NME), und Eminem „proves himself a peerless rap poet“ (Entertainment Weekly“. (Quelle: Wikipedia). Doch keine Kritik dürfte letztlich das Herz des 30-Jährigen Hip-Hop-Genies aus St. Joseph, Missouri, mehr erfreut haben die als von jener Sängerin, deren Chorus dem Nummer-1-Erfolg erst seine endgültige Berechtigung verlieh…
Aktuell: Sein Debütalbum jährt sich zum 20. Mal. Dafür gibt es „The Slim Shady LP“ in einer Sonderedition.
Urteil: Fetter Beat, softer Refrain, starke Geschichte – kurzum: ein Meisterwerk.
Jan