ENERGISCHE POPDRAMABALLADE

Das Glück schien sie nicht wirklich zu begünstigen. Dabei hatte sich Linda Perry, Ex-Sängerin, Ex-Songwriterin, Ex-Producerin und Ex-Bestimmerin der Erfolgsband 4 Non Blondes („What’s Up“) für die Zeit danach soviel vorgenommen. 1995 verließ sie die Gruppe und verlegte sich auf das Projekt Solokarriere, zwei Alben sprangen dabei heraus. Doch die Platten verkauften sich elendig, ihr Label ging in die Insolvenz und Perry stand vor den Trümmern einer einst so vielversprechenden Karriere als Sängerin und Songschreiberin. Zumindest auf ihr Talent, ausdrucksstarke und pathosdurchflutete Rockoperettchen zusammenzuzimmern, konnte sie sich weiterhin verlassen. Sie komponierte also wieder, schrieb die Stücke „Cruz“ und „Beautiful“. Speziell letzteres Lied, das gewissermaßen schon seit einigen Jahren in ihrer Schublade vor sich hin brütete, versprühte wieder eine gewisse Wirkung auf die 36-Jährige – sie fühlte das Potenzial für einen Hit.

Datum 2003
Platzierung 4
Album Stripped
Website www.christinaaguilera.com/

Vielleicht hätte die Popballade, die später als Hymne der LGBT- (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender-)Bewegung derart für Furore sorgen sollte, nie das Licht der Welt außerhalb von Tonspuren und Gesangsstudio erblickt, wenn sich nicht die Sängerin Pink bei Perry mit der Bitte um Mithilfe bei ihrem aktuellen Album „Missundaztood“ gemeldet hätte. Pink wollte „Beautiful“ einsingen, Perry lehnte ab und stellte sich lieber selbst hinter das Mikrofon. Doch nur einige Monate später – Perrys Auftragsbücher wuchsen wieder beträchtlich – bat Christina Aguilera um die Chance, dieses selig vor sich schlummernde Meisterwerk stimmlich wiederzuerwecken. Perry, die Aguilera bei ihrem dritten Album „Stripped“ unterstützte, gab ihr Einverständnis, Aguilera sang und Perry schmolz vor Entzückung dahin: „Beautiful“, diese kleine zuckersüße Popdramaballade, hatte ihre Meisterin gefunden.

Nachdem Kritiker und Verbraucher Aguilera die Singleauskopplung des wenig gelungenen Titeltracks „Stripped“ eher übelnahmen und den Schenkelpornoclip dazu als überflüssige Provokation empfanden, durfte sie für ihre Interpretation von „Beautiful“ hingegen jede Menge Lob ernten. Und es wurde ein Riesenhit: Platz 1 in Großbritannien, Platz 2 in den USA, Platz 4 in Deutschland. Stimmlich variationsreich wie lange nicht mehr, energisch und ausdrucksstark vorgetragen, sorgte die 22-jährige New Yorkerin mit dem Song für die endgültige Rückkehr Perrys ins Musikgeschäft – und belohnte sich selbst 2004 mit einem Grammy für die „Best Female Pop Vocal Performance“.

Auf die Frage, wie persönlich das Lied für Perry sei, antwortete sie in einem Interview mit der Website „shutyourprettymouth.co.uk“ zwar zunächst relativ diplomatisch: „Really personal because I wrote it from exactly the perspective that people hear it from.“ Auf die Nachfrage jedoch, ob sie „Beautiful“ dann doch nicht mit dem Gedanken an Aguilera als Interpretin geschrieben hätte, betonte Perry schließlich unzweideutig: „No, I wrote the song for me. But not long before I met Christina.“

Diesen Triumph wollte sich die 4-Non-Blondes-Ex nun doch nicht aus den Händen reißen lassen…

Aktuell: Aguilera tritt in Las Vegas auf und versuchte sich zuletzt mit dem Album „Liberation“ (2018) an einem Comeback. Durchwachsen.

Urteil: Gefühlvolle, geschliffene und anständig durcharrangierte Popballade, die sich durch einen eindringlichen Gesang positiv aus dem Oeuvre Aguileras hervorhebt.

Jan

Christina Aguilera – Beautiful
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