Datum | 1992 |
höchste Platzierung | 3 |
Album | Check Out The Groove |
Website | – |
DEPRESSIONEN IM DANCEHOUSE-GEWAND
Das Saxophon, die vertrĂ€umte Melodie, der bitter-melancholische Text – all diese Zutaten bescherten dem schottischen Singer-Songwriter Gerry Rafferty 1978 einen Welterfolg mit der Ballade „Baker Street“. In den Lyrics geht es vor allem um Alkoholismus, Einsamkeit, Depressionen und jene „seelenlose Menschen“, unter denen der SĂ€nger sich aufhielt, und nicht wenige waren der Ăberzeugung, dass Rafferty hierin sein eigenes persönliches Schicksal zu verarbeiten versuchte. Dieser Umstand allerdings konnte dem britischen Danceprojekt Undercover vierzehn Jahre nach der Aufnahme des Originals herzlich egal sein: Die Welt war reif fĂŒr ein diskothekentaugliches Update im typischen Eurohouse-Gewand.
Undercover bemĂŒhte sich jedoch, weniger als die vielen nachfolgenden Kollegen der gleichen Sparte, nicht als Projekt mit willkĂŒrlich austauschbaren Kurzzeitangestellten, sondern als klassische Band aufzutreten. John Matthews, Jon Jules, Steve Mac und Tim Laws hieĂen die Miglieder, die sich anfangs vornehmlich mit dem Covern vergangener Hits beschĂ€ftigten: „Never Let Her Slip Away“ (im Original von Andrew Gold) folgte dem Auftakterfolg, danach veröffentlichten sie den Gallagher and Lyle-Klassiker „I Wanna Stay With You“. Die technische Gestaltung der Lieder war allerdings so frappierend Ă€hnlich, dass man befĂŒrchten durfte, die Produktion ihres DebĂŒtalbums „Check Out The Groove“ muss an einem Sonntag nachmittag in der Halbzeitpause des Football League-Spitzenspiels zwischen Leeds United und Machester United erfolgt sein – derart fantasielos blieben Matthews & Co. bei Songauswahl und Umsetzung. So blieben natĂŒrlich auch die Texte komplett hinter den treibenden Beats und Elektropianos zurĂŒck.
Allerdings – und damit zurĂŒck zum Single-DebĂŒt „Baker Street“ – hatte die Dancehouse-Gruppe Undercover keineswegs eine misslungene Variante des Rafferty-StĂŒckes abgeliefert: Deutlich herzloser und geradezu blasphemisch vergingen sich viele Jahre spĂ€ter DJ Octopus sowie vor allem Michael Mind, bestehend aus den beiden DJs Kindervater und BĂŒlles, an dem so sentimentalen Lied. WĂ€hrend Matthews von Undercover im Musikvideo dezent den einsamen Flaneur gibt und allenfalls ausdruckslos am Mikro performt, wird bei Michael Mind gnadenlos ein UnterwĂ€sche-Model zum Saxophon-Solo von Raphael Ravenscroft vor die Kamera gezerrt.
1992 landeten Undercover mit ihrer Interpretation auf Platz 3 der deutschen Hitparade – ĂŒbrigens genauso wie das Original. Dieser, Rafferty, versuchte eben in jenem Jahr mit einem neuen Album („On A Wing And A Prayer“) von der Erinnerung an ihn zu profitieren und endlich wieder einen Erfolg abzuliefern. Dieser blieb ihm jedoch verwehrt – die „Baker Street“ ĂŒberstrahlte sein musikalisches Schaffen bis an sein Lebensende.
Aktuell: Angeblich existieren Undercover noch, aber neue Aufnahmen sind von den Jungs auch nach intensivsten Recherchen nicht auszumachen.
Urteil: Die Problematik, solch einer Ballade mit angesagten Dancehouse-Rhythmen beizukommen, haben Undercover durchaus anstÀndig gelöst: Gesang ok, Saxophon ok, alles ok. Rafferty war sicher nicht unzufrieden.
Jan