Datum | 1986 |
höchste Platzierung | 6 |
Album | Better Than Heaven |
Website | http://stacey-q.com/ |
DISCOMAUS ZWISCHEN PORNO UND GEORGE CLOONEY
Sex sells – also beginnen wir mit einer Anekdote aus der Welt des erotischen Films: 1998, 12 Jahre nach ihrem einzigen großen Hit, taucht die als Stacey Q bekannte Sängerin Stacey Swain im Schwulen-Porno „Playing the Odds“ auf. Es ist ein Freundschaftsdienst für die Regisseurin. Stacey steht im schwarzen Plastikminikleid in der Tür und überreicht einem nur mit weißem Handtuch bekleideten Darsteller schlecht gelaunt eine Essenlieferung. Stacey gibt später über ihren Kurzauftritt zu Protokoll: „Ich habe mir den Streifen nie angesehen und weiß auch eigentlich gar nichts über Schwulen-Pornos.“ Eine Episode, die fast stellvertretend für Stacey Qs Karriereverlauf ist: Als Schauspielerin war sie eher im falschen Film. Als Sängerin befand sie sich zumindest einmal zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Die 80er waren generell ein gutes Jahrzehnt für Discomäuschen mit dünnen Stimmchen. 1986 war die Italo-Disco-Welle mit Valerie Dore gerade am Abebben, Stock/Aitken/Waterman nahmen mit Mel & Kim, Sinitta u.v.a.m. gerade erst Fahrt auf – also war es die perfekte Zeit und Marktlücke für Stacey aus Kalifornien.
Schon als Kind will Klein-Stacey ( geboren am 30.11.1958) unbedingt ins große Showgeschäft. Ihre Leidenschaft ist das Tanzen. Sie lernt klassisches Ballett und Flamenco, ist dabei so gut, dass sie in den 70ern Engagements in Disney Paraden und beim Zirkus bekommt. An eine Gesangskarriere denkt sie nicht. Sie weiß, ihre Stimme ist kaum stärker als ein Flüstern, und traut sich nicht mal, vor ihrer Mutter ein Geburtstagsständchen zu singen.
Das ändert sich in den 80ern. Sie verliebt sich in den Produzenten Jon St. James. Er erkennt die Starqualitäten seiner Freundin in puncto Bühnenpräsenz. Die Schwächen ihrer Stimme weiß er geschickt mit Synthiesound auszubügeln. Zunächst gründen beide die Gruppe „Q“, benannt nach dem genialen Waffenerfinder aus den James-Bond-Filmen. Weil Starproduzent Quincy Jones (u.a. „Thriller“ von Michael Jackson) „Q“ als Spitznamen für sich reklamiert, benennen sie sich in „SSQ“ um. Ein bisschen Airplay, ein paar Lieder tauchen in Filmsoundtracks auf – das sind kleine nette Erfolge, aber der große Durchbruch will nicht gelingen. Also startet Stacey eine Solokarriere. Die Mitstreiter aus der Band sind im Hintergrund weiter mit an Bord, demnach bleibt auch das „Q“ als Hommage an diese Zeit.
Mit „Two of Hearts“ gelingt Stacey Q ein Top-10-Hit in den USA und Deutschland. Das Original hat kurz vorher Sue Gatlin aufgenommen.
Produzent Jon St. James motzt die mittelmäßige Freestyle-Nummer auf und macht daraus einen Ohrwurm, stilistisch irgendwo zwischen Disco, Hi-NRG und New Wave.
Stacey darf ihren Hit auch in der erfolgreichen Serie „The Facts of Life“ singen. Nach Drehbuch verliebt sie sich in einen Kerl, der von dem damals noch unbekannten George Clooney verkörpfert wird. Die Fernsehmacher finden Stacey toll und planen mehr mit ihr. Sogar eine Serie mit ihr und George ist im Gespräch. Leider erkennt ihre Plattenfirma die Chancen einer solchen perfekten Crosspromotion nicht: Sie ermahnen Stacey, sich auf die Gesangskarriere zu konzentrieren, um nicht zum One Hit Wonder zu werden. Wie dämlich!
Denn genau das passiert. Die Nachfolgesingle „We Connect“ erreicht noch Platz 32 in den deutschen Charts, klingt allerdings wie ein fader Aufguss des großen Hits. Im Lauf der 80er stolpert die ein oder andere Single von Stacey Q noch kurz in die US-Charts. Sie experimentiert mit verschiedenen Haarfarben und Musikrichtungen, ohne dass sie noch mal eine Spur in der Popgeschichte hinterlassen kann. Ihre Schauspielkarriere bleibt bei kleinen Gastrollen stecken.
Aktuell: Nach einer Auszeit in Nepal kehrt sie als Buddhistin und Lehrerin für Cham-Tanz in die USA zurück. Dort ist sie nach wie vor bei 80er-Jahre-Revivalshows zu sehen. Die Onlinevideos davon zeigen: Sie könnte glatt die Zwillingsschwester von Sandra sein! Ihre Karriere kommentiert Stacey mit fast schon buddhistischer Gelassenheit: „Ich trete wahrscheinlich auf, bis mir die Beine ausfallen. Ich muss mir ja auch was zu essen kaufen, also halt ich durch!“
Urteil: Schon in den 80ern gab es in Sachen Gesang und Produktion Besseres als „Two of Hearts“. Was den Song von anderen Discoproduktionen der Zeit positiv unterscheidet: Mindestens zwei Stellen haken sich als Ohrwurm ins Hirn: Neben dem Refrain auch das ständig und wie ein auf den Boden aufspringender Tischtennisball wiederholte „I-I-I-I-I Need You“.
Björn Strößner
(Quellen: Stacey Q, „Two of Hearts“ auf www.br.de / TV Show: „100 Greatest One Hit Wonders of the 80s“, VH-1)