CLUBKONFEKTION AUS DER YOUTUBE-FABRIK
„Viral“, so der altehrwürdige Duden, bedeutet soviel wie „durch ein Virus verursacht“. Na bitte, und schon finden wir ein Beispiel für einen hartnäckigen und folgenschweren Krankheitserreger, der sich gleich einer grausamen Pandemie über die gesamte Weltkugel ausgebreitet hat. Symptome: Lässiges Hin- und Herschwingen mit den Beinen, putzige Lasso- und Reitbewegungen mit den Armen („Horse Dance“). Dazu mehrfaches Wiehern von „op op op op oppan Gangnam Style“. Langfristige Folgen: Chronische Ohrwurmeritis und Wahrnehmungsstörungen sowie irreperable Schädigungen der eigenen Reputation nach Auftritten auf Betriebsfesten und privaten Mottopartys. Therapie: Dauerhafter Verzicht auf jegliche Nutzung von Videoportalen. Aber im Zweifel ist es jetzt eh zu spät: Der K-Pop hat schon längst Mitteleuropa erreicht.
Aber das konnte auch der südkoreanische Rapper und Sänger Psy wirklich nicht ahnen, dass sich erst nach vielen Jahren im Musikgeschäft auf seiner nunmehr 6. Platte ein Hit befinden würde, der die popkulturelle Erde in ihren Grundfesten erschüttern würde: Mehr als 1 Milliarde Klicks auf YouTube (dank der eifrig gepflegten GEMA-Google-Feindschaft ohne deutsche Beteiligung), Auftritte vor Obama und beim Karneval in Rio, Rezeptionen in sämtlichen Feuilletons der schreibenden Presse. Dass der Mitte-30jährige lange Zeit auf die Musik von Bon Jovi, Aerosmith und den Guns N´Roses abfuhr, lässt sich aus dem Diskotheken-Stampfer „Gangnam Style“ eher nicht heraushören, dafür inhaltlich der parodistische Seitenhieb auf die koreanische Wohlstandsgesellschaft. Gangnam ist der vermögendste Stadtteil Seouls und das wird anhand der Bilder, welche auf der offiziellen Internetpräsenz dieses Bezirks zu sehen sind, auch ziemlich schnell deutlich.
Dass der Song ohne das glänzend skurrile Video und den gesamten medialen Wellengang drumherum nicht wirklich besonders bemerkenswert wäre, teilt dieser mit anderen periodisch auftretenden Tanzhypes – auch wenn es allein ein Erlebnis ist, im Mainstream-Pop mit koreanischen Raps konfrontiert zu werden. Der Rest: beat- und synthilastige, wenngleich nicht uncharmante Clubkonfektion.
Urteil: YouTube-Klicks + ulkiger Tanz + exotischer Sprechgesang = Welterfolg. Mit dieser Formel kann man in der Popmusik noch Berge versetzen. Bewertet man nur die weitestgehend irrelevanten Bestandteile dieses „viralen“ Höhenflugs, nämlich die Musik(!), bleibt doch überraschend wenig übrig. Aber der K-Pop ist ja hier noch gar nicht richtig angekommen… 6 von 10 Punkten.
Jan