Datum | 1971 |
höchste Platzierung | 3 |
Album | Bonjour Mireille |
Website | http://www.mireillemathieu.com/?lang=de |
MĂSSIG-SPRĂDER HELENENSCHWANK
UNESCO-Weltkulturerbe, bekanntestes Bauwerk der Erde, Götter-Wohnsitz: Die Akropolis in Athen gehört ohne Zweifel zu den eindrucksvollsten, von Menschen geschaffenen Wahrzeichen der Welt. Nachdem die Tempelbauten im 5. Jahrhundert vor Christus im Zuge der Perserkriege der Zerstörung zum Opfer fielen, machte sich es im Jahr 448 der Athener Staatsmann Perikles zur Aufgabe, das einst so glorreiche Kulturdenkmal wieder aufzubauen. Mitten in Athen entstanden innerhalb der nĂ€chsten knapp 40 Jahre auf dem 156 m hohen Felsen die einzigartigen Tempelbauten auf der Akropolis: die PropylĂ€en, das Erechtheion, der Niketempel sowie nicht zuletzt der Parthenon-Tempel. Bis heute hat das Bauwerk fĂŒr Touristen nichts von seiner Faszination verloren, erst vor einigen Jahren wurde am FuĂe der Akropolis ein neues Museum eröffnet.
2019 Jahre spĂ€ter, nachdem die Wiederaufbau-Arbeiten an den Tempel-Anlagen begonnen haben, verbrachte eine französische SĂ€ngerin aus Avignon, 25 Jahre alt, wieder mal ein paar StĂŒndchen mit ihrem Lieblingsproduzenten Christian Bruhn im Aufnahmestudio und intonierte, gewohnt hingebungsvoll, die typisch schmierig-schwĂŒlstigen Schlagerphrasen, die er ihr auf ihre Pagenfrisur geschrieben hatte. So chansonniert sie leidenschaftlich: „Akropolis, adieu, ich muĂ geh’n. Die weiĂen Rosen sind verblĂŒht. Was wird gescheh’n? Ich wĂ€r‘ so gern geblieben, Akropolis, adieu.“ Und da das junge FrĂ€ulein gerade im recht beschaulichen Willy-Brandt-Deutschland einen echten Lauf mit Paris-Hits hatte („Ganz Paris ist ein Theater“ und „Der Pariser Tango“ waren noch in den Charts platziert), folgte mit „Akropolis adieu“ der nĂ€chste Chartserfolg (Platz 3). Nur jetzt unĂŒberhörbar mit ein paar zĂŒnftigen Sirtaki-KlĂ€ngen dazwischen.
Zumindest stand sie nicht am Ende der Riege von Griechenverehrerinnen und -verehrern, eine regelrechte Flut an Ouzo-Schlagern sollte folgen: „Der letzte Sirtaki“, „Der Stern von Mykonos“, „Die Bouzouki klang durch die Sommernacht“, „Schönes MĂ€dchen aus Arcadia“ und so weiter fĂŒllten die Sendungen der „ZDF-Hitparade“. Aber die Beste war sie gewiss auch nicht, denn fernab der ewigen Piaf-Bewunderung, die aus ihren Liedern immer wieder hervorkroch, wirkt die ganze Griechenperformance hier ziemlich spröde und durchschnittlich. Wo Demis Roussos nur wenige Akkorde benötigte, um den Zuhörer sinnlich nach Kreta zu beamen, erscheint Mathieus Ausflug eher anbiedernd und dazu refraintechnisch unoriginell. Dabei kann die SĂ€ngerin wahrlich so viel mehr.
Aber Schlagerproduzenten wie Christian Bruhn, die gerne mal Kunst mit Kunsthandwerk verwechselten, wussten dennoch ganz gut, was massenkompatibel war und wie sie ihre „Untergebenen“ dafĂŒr ordentlich zurechtschnitzen mussten. Exemplarisch seine Aussage in einem Interview auf muenster.de: „Die Mathieu war leicht zu verarzten. (…) Da konnte man erstmal richtig aus dem Repertoirefundus schöpfen. Also hat man dann schon fĂŒr die Interpreten Dienst geleistet und ihnen Sachen auf den Leib geschrieben.“
So war das damals und ist es heute nicht viel anders. Inwiefern Mireille Mathieu auch Mitbestimmungsrechte bei der Auswahl ihrer Lieder, vor allem in ihrer „deutschsprachigen Phase“, verteidigen konnte, bleibt heute unklar. Perikles, einst der verantwortliche KulturstaatssekretĂ€r fĂŒr den Akropolis-Neubau, hĂ€tte hierzu wohl sich selbst zitiert: „Die beste Frau ist die, die am wenigsten spricht.“
Aktuell: FĂŒr MĂ€rz 2020 sind Konzerte geplant. Ihr letztes Album heiĂt „Mes classiques“.
Urteil: MĂ€Ăiger Helenenschwank, der musikalisch mit ziemlich abgenutzten Klischees spielt und sonst ziemlich ideenarme Verse durcharbeitet.
Jan