Datum 1964
höchste Platzierung 2
Album
Website http://www.marikakilius.eu/pages/de/home.php

HOPPELIGE RODEO-DUDELEI

Die begnadete Eiskunstläuferin Marika Kilius schien vom Erfolg verwöhnt, Medaille um Medaille sammelte die gebürtige Frankfurterin in den 50er und 60er Jahren. Gemeinsam mit ihrem Paarlaufpartner Hans-Jürgen Bäumler gewann sie nahezu alle deutschen und europäischen Meisterschaften, bei den Olympischen Spielen 1960 in Squaw Valley sowie 1964 in Innsbruck erreichten die beiden jeweils die Silbermedaillen. Und dann das – ein Skandal. Ein riesiger dunkler Fleck auf der weißen Weste der Eiskunstlaufsportlerin. Ihre enormen Popularitätswerte schienen auf dem Sinkflug, und all das, weil Kilius sich nun, nach Abschluss ihrer aktiven Laufbahn, vornehmlich der Schallplattenindustrie widmete.

„Wenn die Cowboys träumen“ kam im März 1964 in die deutschen Hitparaden und war zugleich der Auftakt für eine ganze Reihe von Kilius-Liedern, die in den nächsten Monaten über die Theken der Musikläden wanderten, unter anderem ein Duett mit dem gleichfalls fiedelnden Profisportler Hans-Jürgen Bäumler („Honeymoon in Str. Tropez“). Doch im Sommer 1964 verschaffte sich ein Fotograf mit dem Namen Hansi Hoffmann in der Presse Gehör. So äußerte er den Vorwurf, die 21-jährige Kilius hätte den Hit „Wenn die Cowboy träumen“ gar nicht selber gesungen. Die Berliner BZ sprach von einem „gigantischen Schwindel“, die Sängerin setzte sich daraufhin empört zur Wehr, „so eine Gemeinheit“.

Bald darauf gab Plattenproduzent Gert Schmidt in einer Stellungnahme zu, Kilius sei doch nicht alleinverantwortlich für den Gesang, dieser würde etwa 80 % von dem Lied ausmachen, den Rest hätte die erfahrene Chorsängerin Leonie Brückner beigesteuert. Was heute ein gängiges Verfahren ist, um defizitäre Aufnahmen von Hobbymusikern zu „professionalisieren“ und im Musikbusiness stillschweigend toleriert wird, hatte einst noch Skandalpotenzial. Der Spiegel berichtete in einem Artikel sehr ausführlich über die technischen Hilfsmittel und Abläufe, die während der Produktion im Frankfurter CBS-Studio zum Einsatz kamen.

„Wenn die Cowboys träumen“ wurde trotz der Betrugsdebatten ein großer Kassenschlager, die Nummer bietet schließlich bestialisch-frohsinnige Rodeo-Dudelei, eine zum Schlager gefolterte Countrykarikatur, die in angeheiterter Saloon-Atmosphäre und mit einigen Whiskeys wunderbar zu ertragen wäre. Was im übrigen auch den Text mit einbezieht: „Wenn die Cowboys träumen, ja dann träumen sie, nicht von Liebe und von Sehnen, nicht von Abschied und von Tränen, nein dann träumen sie von der Prärie.“ Lucky Luke lässt grüßen.

Kilius beendete 1965 mit der Solosingle „Erst kam ein verliebter Blick“ ihre kurze, jedoch äußerst einträgliche Musikkarriere. Ob, was oder wieviel sie gesangstechnisch zu ihrem piefigen Liedermaterial beigesteuert hatte, war da in den Medien schon längst kein Thema mehr.

Aktuell: „Beauty on ice“, eine Pflegelinie mit hochwirksamen Produkten, welche die Haut in kürzester Zeit wieder verjüngt, glatter, feinporiger sowie „unbeschreiblich zart und strahlend“ macht. Verantwortlich: Marika Kilius, Ex-Eiskunstlaufstar und Ex-Schlagersängerin. Dazu gibt sie Interview über Sex im Alter.

Urteil: Aufgeregt-hoppeliges Countryschlagerstückchen, das nicht an Kilius‘ eindimensionalem Auftritt, sondern vielmehr an der Wirkung einer ziemlich billigen Kopie von Gittes „Ich will ’nen Cowboy als Mann“ scheitert.

Jan

Marika Kilius – Wenn die Cowboys träumen

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