Datum | 2002 |
höchste Platzierung | 1 |
Album | Mensch |
Website | http://www.groenemeyer.de/ |
MIT TRAUERARBEIT ZUM KARRIEREHÖHEPUNKT
Großes Leiden kann manchmal der Antrieb für große Kunst sein. Diese Formel gilt wohl auch für das bisher meistverkaufte Album in Deutschland: „Mensch“ von Herbert Grönemeyer. Über 3,1 Millionen Exemplare gingen über den Ladentisch. Während Grönemeyers LPs seit dem 1984er Meisterwerk „4630 Bochum“ den Spitzenplatz der Charts abonniert haben, gelingt ihm erst 2002 mit „Mensch“ ein Nummer-1-Hit in der deutschen Singlehitparade.
Die Entstehungsgeschichte für diese bemerkenswerte Platte beginnt im November 1998. Zwei Schicksalsschläge treffen innerhalb weniger Tage Herbert Grönemeyer: Sein Bruder Wilhelm und seine Frau Anna sterben an Krebs. Daraufhin zieht sich Herbert zum Trauern in seine Wahlheimat London zurück. Es dauert fast zwei Jahre lang, bis er sich wieder zum Komponieren ans Klavier setzt. Er kommt nur sehr zäh voran. Nach einem halben Jahr entsteht langsam mit „Mensch“ das erste Lied, das ihm selbst wieder Mut macht. Die erste Version des Textes war noch auf Französisch: „Plage de la vie – Strand des Lebens“. An Zeilen wie „Momentan ist richtig, momentan ist gut“ zieht er sich selbst wieder hoch. Er spürt, dass Musik machen ihm wieder Spaß bereitet und ist sich sicher, wieder eine Platte hinzukriegen.
Grönemeyers persönliche Gefühlswelt spiegelt sich in der Single und später auch auf dem ganzen im wahrsten Sinne des Wortes „menschlichen“ Album wider: Er trifft genau den Ton zwischen Melancholie und Zuversicht. Es geht darum, mit Trauer klar zu kommen („Es tut gleichmäßig weh“), sie als Bestandteil des Lebens zu akzeptieren (am Ende des Refrains heißt es immer wieder: „Du fehlst“) und schließlich wieder Freude am Leben zu finden („Und der Mensch heißt Mensch … weil er lacht und weil er lebt“).
So vertont Herbert Grönemeyer Emotionen, die jeder Mensch nachvollziehen kann, denn früher oder später kommt jeder von uns in die Situation, einen geliebten Menschen zu verlieren.
Dass Grönemeyer wirklich vielen Menschen aus dem Herzen singt, zeigt sich unmittelbar nach der Veröffentlichung der Single im August 2002: „Mensch“ wird auch so etwas wie eine Hymne zum Durchhalten für die Opfer der Elbeflut. Spendenaufrufe im Fernsehen werden mir dem Lied untermalt, was den Sprung von 0 auf 1 in den Singlecharts sicherlich unterstützt. Musikalisch geht Herbert Grönemeyer den Weg konsequent weiter, den er mit dem Album „Bleibt alles anders“ beschritten hat: Statt biederem Deutschrock hören wir elektronische, experimentelle Klänge. Viele Kritiker zeigten sich damals positiv überrascht, dass der vermeintlich olle Grönemeyer am Puls der Zeit und aufgeschlossen für den Einfluss von modernen Klängen ist.
Aktuell: Sein vergangenes Album „Tumult“ war erneut ein Nr. 1-Hit. 2019 steht eine Tour an.
Urteil: Selten waren sich Käufer und Kritiker so einig wie bei „Mensch“. Da wäre ich ein schlechter Mensch, wenn ich weniger als die Höchstnote geben würde.
Björn Strößner