Datum | 1971 |
höchste Platzierung | 4 |
Album | Wenn wir alle Sonntagskinder wär´n |
Website | – |
FLOTTER SCHWULST FÜR „GRÜNE WITWEN“
„Pepe und sein Freund Heintje haben eine Menge Tricks im Ärmel. Sie schrecken vor nichts zurück. Nicht einmal vor Frauenkleidern. Aber Pauker sind zäh.“ Soweit der Trailer zu „Morgen fällt die Schule aus“, dem deutschen Blockbuster des Jahres 1971. Zum wiederholten Mal befriedigte Produzent Franz Seitz den scheinbar unersättlichen Durst der Deutschen nach absurden Lausbubenstreichen, trottligen Oberstudienräten und leidenschaftlichen Schlagereinlagen. Der inzwischen sechste Teil des „schwachsinnigen Serienklamauks“ (Lexikon des internationalen Films) bzw. der „Lümmel von der ersten Bank“-Reihe platzierte sich zwar hinsichtlich der Besucherzahlen weit hinter Kino-Großereignissen wie James Bonds „Diamantenfieber“, „Aristocats“ und dem „Schulmädchen-Report Teil 2“, wurde jedoch dennoch als solider kommerzieller Erfolg verbucht.
Nach seinen Auftritten in „Zum Teufel mit der Penne“ (2. Teil) und „Hurra, die Schule brennt“ (4. Teil) durfte Heintje in „Morgen fällt die Schule aus“ erneut die Hauptrolle übernehmen. Der 16jährige mit der teuflisch hellen Glockenstimme spielte nicht minder mäßig wie Kollege Hansi und die anderen lernfaulen Pennäler, hatte jedoch dank des hohen Sweetness-Faktors sowie der rührenden Gesangseinlagen mal wieder die Herzen der liebestrunkenen Hausfrauen vor den Leinwänden und Bildschirmen im Sturm erobert. Aus jenem Film stammt auch Heintjes letzter deutscher Top 10-Hit für alle Zeiten: „Schneeglöckchen im Februar, Goldregen im Mai“. Der Titel ist für Heintjes Verhältnisse ungewohnt flott komponiert, dazu bietet er eine äußerst einprägsame Melodieführung. Im roten Sonntagsausflugs-Pulli steigt er auf die Eisbearbeitungsmaschine und trällert den Schlittschuhläufern hingebungsvoll die Schönheit der Welt im Allgemeinen und Speziellen zusammen: „… Rosen im Herbst und im Winter sogar sind uns die Eisblumen treu“.
Manche Zuhörer trösteten sich mit jenem Liedgut Anfang der 70er Jahre über eine aus den Fugen geratene Welt der Jugendrevolten und des Terrorismus hinweg, für andere war es schlichtweg schwülstige Ergriffenheitsprosa für, wie es Der Spiegel einst so feinsinnig zusammenfasste, „Kleinbürger aus den Vorstädten, grüne Witwen und alte Tanten, Mütter und Großmütter, Enttäuschte und Vereinsamte“. Sämtliche Kritiker hatten längst ob Heintjes fortwährender Popularität die Segel gestrichen. Aber deren Trumph sollte nicht lange auf sich warten lassen.
Nach dem Gesetz der Serie hätte Heintje auch im 8. Teil der „Lümmel“-Reihe mitspielen können, doch nach dem 7. Teil war Schluss mit den Pennälerkomödien. Dazu drohte nur wenige Monate nach dem „Schneeglöckchen“-Hit der größte Rückschlag für das junge niederländische Stimmwunder: der Stimmbruch. Aus Heintje wurde Heintje Simon, aus dem Goldkehlchen eine gewöhnliche Teenie-Stimme, aus dem niedlichen Herzensbrecher für begeisterte Muttis ein orientierungsloser Schwerenöter auf den unteren Stufen der Karriereleiter und die „Rosen im Herbst“ verblühten nun auch unwiderruflich. Von den Schneeglöckchen ganz zu Schweigen…
Aktuell: Inzwischen steht Hein Simons seit über 50 Jahren auf der Bühne. Sein neuestes Album heißt „Lebenslieder“.
Urteil: Jetzt mal ehrlich: Wer verspürt bei diesem Lied nicht ein wenig Entzückung und entflammte Liebe für den Jungen? Ist es nicht eine schöne Melodie? Ist die Aussage des Songs nicht von inniger Wärme und Herzlichkeit?
Jan