Datum | 1974 |
höchste Platzierung | 3 |
Album | Rock Your Baby |
Website | http://www.georgemccrae.com |
GESCHMEIDIG NACH BEWÄHRTER REZEPTUR
Nichts geht über die Familie. Das weiß auch ein erfahrener Musiker wie der US-amerikanische Soulpop-Dandy George McCrae, und so unterstützt er, ganz der fürsorgende Vater und Bruder, die holprigen Karriereversuche seiner nächsten Familienangehörigen. Holprig, das trifft es wohl ganz gut, denn die aufgeführten Links auf seiner Website navigieren den User nicht gerade zu den größten Pophoffnungen der Neuzeit. Leah McCray beispielsweise legt wohl nicht viel Wert auf ihre Seite daughterofsoul.com – „Error occured – 404“. Jennifer hingegen ist durchaus präsent im Web, fällt allerdings auf ihrer Homepage eher durch luftige Oberteile und knappe Jeanshöschen als durch beeindruckende Tophits auf. Marcella war 2008 auf Pro 7 in der Castingshow „Popstars on stage“ zu sehen, scheiterte jedoch im Finale und begleitet seitdem zwieilichte Hip Hop-Gestalten wie Baba Saad als Gastsängerin. Und der Link von Shawn, Georges Bruder, führt direkt zu einem Homepage-Dienstleister. Karriere? Keine Ahnung.
Und so bleibt George wohl der einzige seiner immerhin neun (!) Brüder umfassenden Familienbande (er ist der zweitjüngste), der in den 70er Jahren mit stolzen Plattenverkäufen auf sich aufmerksam machen konnte. „Rock Your Baby“ segelte durch nahezu alle internationalen Hitparaden, ein beispielloser Debüterfolg, der im Sommer 1974 mehrwöchig sämtliche Nummer 1-Platzierungen besetzt hielt: USA, Großbritannien, Deutschland, überall. Nur keine Eintagsfliege wollte er sein, und so schob das, Zitat Biographie auf seiner Website, „phenomenon, the ‚King‘, and the ‚Acknowledged Leader‘ of the soul revolution“ schnell die nächste Single hinterher: „I Can’t leave you alone“. Überraschenderweise klang diese geschmeidige Soulpop-Produktion kaum bestechend anders als der Vorgänger. Zweifellos legitim, wenn die Rezeptur eine solche Begeisterung entfachte.
„Oh darling, I can’t resist your love, your love. Cause honey, I love you, I love you much, too much“ schmalzt der Glitzerjacken- und Schlaghosenfetischist aus dem sonnigen Florida daher, auf einem relaxt vor sich hin trabenden Beat, der bei älteren Discogängern vor 40 Jahren den Puls nach oben getrieben haben dürfte. Keine Frage, die weiche, variabel ausschlagende Soulstimme McCraes ist gewiss das schlagkräftigste Argument für eine ansonsten etwas mittelmäßig geschraubte Nachfolgenummer, die in seiner Heimat lediglich auf Platz 50 vor sich hindümpelte. In Deutschland gelang mit Platz 3 jedoch nochmal ein imposanter Erfolg – der letzte wesentliche allerdings.
Denn weitere seine Laufbahn fiel eher zurückhaltend aus: Neben einer Scheidung (1976) und schnell folgenden zweiten Hochzeit warf er einige Lieder auf den Markt, die mal etwas mehr (zum Beispiel „It’s Been So Long“, 1975), mal weniger ins Bewusstsein der Fans gerieten, nach 1995 („Do Something“) erstarben die Chartsnotierungen. Und irgendwie folgte der Papa schließlich dem Schicksal seiner Töchter – und verabschiedete sich aus der 1. Liga des Mainstreamkultur…
Aktuell: Sein neuestes Album heißt „Love“. Und 2018 gab es einen Auftritt in Gibraltar.
Urteil: Etwas bräsiger, aber keinesfalls missratener Nachfolgehit von „Rock Your Baby“, hörenswert vor allem dank einer leichtfüßigen Gesangsperformance.
Jan