Datum 1969
höchste Platzierung 6
Album
Website http://www.beegees.com/

ELOQUENZ IN ZEITEN DES ZERWÜRFNISSES

Komische Texte, sperrige Kompositionen und kein Familienfrieden: Das Jahr 1969 hatte es in sich für die Bee Gees. 11 Jahre nach der Bandgründung war die Stimmung im Hause Gibb ziemlich bescheiden. Gerade erst hatte man sich mal wieder in überflüssige Machtspielchen verstrickt: Robin und Barry stritten sich um die erste Auskopplung aus ihrem neuen Album „Odessa“. Robin präferierte „The Lamblight“, Barry das wohl etwas radiotauglichere „First Of May“. Am Ende setzte sich der ältere Bruder durch und Robin verließ beleidigt, als zweites Mitglied nach Vince Melouny, die Gruppe. In jenem Schlagschatten dieses familieninternen Eklats wurde „Tomorrow, Tomorrow“ veröffentlicht, der sich allerdings nicht als ein weiterer Titel aus dem „Odessa“-Album entpuppte. Auch auf der im gleichen Jahr, 1969, erschienenen Compilation „Best of Bee Gees“ tauchte der Song nicht auf. Erst 2008, bei der Neuauflage, wurde die Nummer dem Greatest-Hits-Album hinzugefügt. Irgendwie war den Jungs wohl bis auf Weiteres die Lust an der Arbeit vergangen.

Dennoch wurde „Tomorrow, Tomorrow“ ein recht anständiger Erfolg in den internationalen Hitparaden: Platz 1 in Dänemark, Platz 3 in den Niederlanden sowie in Neuseeland und immerhin Platz 6 in Deutschland. In den USA (Platz 54) sowie in der Heimat (Platz 23) ging das Werk jedoch weitestgehend unter.

Dabei war der Titel keineswegs ein qualitativer Misserfolg: Die Mischung aus Psychedelic Folk und Progressive Rock, dieser Gesang, der irgendwo zwischen Jim Morrison und Mick Jagger verortet schien und diese schleppenden Rhythmuswechsel, alles sehr dick aufgetragen und in den balladesken Phasen furchtbar melancholisch, funktionierte durchaus. Dass sie hier nochmal das Kommerzgedudel wie „Words“ oder „Jumbo“ vergessen machten, war ihnen hoch anzurechnen. Da durfte es auch eine lyrische Schmalzsuppe mit einem recht übersichtlichem Textspektrum sein: „Tomorrow every one gonna know me better. And tomorrow every one gonna drink my wine. And tomorrow every one gonna read my letter. And my story of love and a love that could never be mine.“

Gegen Ende des Jahres lösten sich die Bee Gees auf, doch schon ein halbes Jahr später feierten sie wieder fröhliche Versöhnung und verkündeten die Fortsetzung ihrer gemeinsamen beruflichen Tätigkeit. „I.O.I.O.“ (1970) präsentierte sich nochmal als angemessener Singe-Hit, doch die großen Erfolge sollten nun fortan ausbleiben. Zumindest, bis ein gewisser Regisseur John Badham sich im Jahr 1976 an die Musikauswahl für seinen insgesamt fünften Film machte – und nicht nur „Samstag nachts“ eine unvergleichliche Disco-Welle auslöste.

Es war zugleich der Zeitpunkt, als sich die Bee Gees endgültig für die Mainstreamkultur entschieden hatten – und unbequeme Progressive-Exzesse wie „Tomorrow, Tomorrow“ weit hinter sich ließen…

Aktuell: Das Ende der Bee Gees war mit dem Tod der beiden Brüder Maurice (2003) und Robin (2012) endgültig besiegelt.

Urteil: Etwas unkomplett wirkendes, dennoch aufwändig produziertes Stück, das sich an einigen End-60er-Genres entlang arbeitet und nochmal die musikalische Eloquenz der frühen Bee Gees unter Beweis stellt.

Jan

Bee Gees – Tomorrow Tomorrow
Markiert in:                                 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert