Datum | 1998 |
höchste Platzierung | 7 |
Album | Viva Los Tioz |
Website | http://www.onkelz.de/ |
UNSYMPATHISCH, GESUNDHEITSSCHÄDLICH
„Und hier ein paar Worte an die ‚rechte‘ Adresse: Leckt uns am Arsch, sonst gibt’s auf die Fresse. Ich hasse euch und eure blinden Parolen. Fickt euch ins Knie, euch soll der Teufel holen.“ Für filigrane Wortauswahl und tiefsinnige Sprachästhetik waren die Böhsen Onkelz auch im 19. Jahr ihres Bestehens nicht wirklich zuständig. Doch irgendwie neu schien der geradewegs übereifrige und reißerische Ton in Richtung politisch Rechtsgesinnter, wie ein hinausgekotzter Appell an all jene Medien und Skeptiker, die den Männern um Russell, Weidner, Röhr und Schorowski die äußerst diffuse Häutung von der Rechtsrockband zur Mainstreamstadiongruppe irgendwie nicht abnehmen wollten. Der Song „Ohne mich“ auf dem 1998er Album „Viva Los Tioz“ bemühte insofern ein ziemlich kantiges Vokabular, um alle Zweifel aus dem Weg zu räumen: „Ihr seid blind vor Hass, dumm wie Brot, Ihr habt verschissen, Eure Führer sind tot.“ Es gibt immer noch genügend, auch prominentere Zeitgenossen, die jene Worte der umstrittensten deutschen Band selbst an den Kopf werfen würden. Aber die Zahl der schwarz-weißen Heckscheibenaufkleber an den Autos wuchs dennoch weiter.
Die verschmähten Außenseiter wurden im Laufe der 90er Jahre zu einem echten Popularitätsphänomen: Trotz Hörfunkboykott wuchs der überaus stabile Fankreis, trotz Platten-Auslieferungsstopps von WOM oder Karstadt stiegen die Verkaufszahlen kontinuierlich. „Viva Los Tioz“ markierte schließlich einen echten Höhepunkt in der Chartshistorie der Böhsen Onkelz: Es wurde ihr erstes Nummer-1-Album – und die Auskopplung „Terpentin“ der erste Top-10-Erfolg, nachdem sich die Band die Jahre zuvor mit Single-Veröffentlichungen eher zurückgehalten hatte.
Was also kann „Terpentin“? „Ja, hier sind wir, Eure Feinde und Ziel. Wir geh’n zum Lachen in den Keller und wir trinken Terpentin.“ Jeder Ansatz von Selbstironie wird in den weiteren Texten direkt im Keim erstickt, stattdessen bleibt das Bild einer testosteron-überladenen Grenzgängerband, die sich mit hektischen Riffs und schroffem Gesang schlichtweg selbst feiert. Ein ziemlich unsympathisches Bild, ohne jede Empathie, verstörend abweisend – und wahrscheinlich mindestens genauso gesundheitsschädlich und umweltunverträglich wie das titelgebende Kiefernöl. Doch die Anhänger fühlten sich in jener Welt des ruppig instrumentierten Abgesangs auf die bürgerliche Mitte in dankbarer Gesellschaft. Und so grölten sie von Schwerin (Tourauftakt am 7.10.1998) bis in der Hamburger Sporthalle: „Wir zerstören eure Mythen, habt ihr’s vernommen. Schluß mit lustig, die Onkelz kommen.“ – „Terpentin“ schaffte es bis auf Platz 7 in der deutschen Hitparade und sorgte für schweißgebadete Gesichter in den Chartsredaktionen von MTV und VIVA, die ihre Countdowns um dieses Lied herum basteln mussten.
Es sollte nur der Anfang sein…
Aktuell: 2015 erfolgte das Comeback von Böhse Onkelz. Zuletzt kamen einige Livealben heraus. Letztes Studioalbum: „Memento“.
Urteil: Witzloses wie tumbes Werk, das nur Fans Spaß machen dürfte.
Jan
https://www.youtube.com/watch?v=aYCyfyQZakI