Datum | 1968 |
höchste Platzierung | 3 |
Album | With A Little Help From My Friends |
Website | http://www.cocker.com |
DER ZAPPELNDE DERWISCH VON WOODSTOCK
Noch war der Himmel erstaunlich blau an jenem Sonntag, dem 17. August 1969. Aber die ersten Wolken waren schon sichtbar und die Temperaturen ließen spürbar nach. Bald sollten heftiger Regen und Sturm einsetzen. Es war der dritte Tag des legendären Woodstock-Festivals, dem vielleicht größten Flashmob der Konzerthistorie – und er war als erster dran. Erst „Feelin´ Alright“, später „Let´s Get Stoned“, irgendwann der letzte Song. Die Orgel setzte ein, das Schlagzeug folgte sobald und leitete zum Gitarreneinsatz über. Der Mann auf der Bühne war nun voll in seinem Element: Mit entrückten Arm- und Körperverrenkungen irgendwo zwischen epileptischem Anfall und ausdauernden Stromstößen versetzte sich der 25jährige Sheffielder John Robert Cocker regelrecht in Trance, bespielte seine Luftgitarre wie von Hendrix persönlich unter Folter gesetzt und ließ die halbe Million Zuschauer fast kollektiv den Atem anhalten. Gerade ließ er noch einmal seine Stimmbänder bis zum Zerbersten erbeben, da öffnete sich „diese gigantische schwarze Regenwolke“ (Cocker im Tagesspiegel-Interview aus der ZEIT), und es goss fortan stundenlang in Strömen. Da hatte der Meister mit seiner Band bereits fluchtartig die Bühne verlassen können.
Zwei Dinge waren bei Cockers Auftritt zu „With A Little Help From My Friends“ besonders erstaunlich: Zum einen war es verblüffend zu sehen, wie man mit Mitte 20 schon derart abgelebt und alt aussehen konnte. Zum anderen mutete es bemerkenswert an, auf welche Weise einem Titel, der eigentlich schon im Original von den Beatles ein eher überschaubares Charisma versprühte, mit einer radikalen Dynamik und Hingabe interpretiert wurde, dass allein durch das Betrachten der Kamerabilder vom Festival das Adrenalin aus einem herausquillt. Vielleicht weil der Song schon alle Bestandteile einer Generationshymne in sich vereint: Ein paar dosierte Gospeleinsätze, eine scheißsimple Refrainstruktur, ein explosives Arrangement – und dazu diese brachiale Kreissägenstimme Cockers, die schon häufig genug hoffnungslos verlorene Popödnis zu etwas scheinbar Besonderem hochtunen konnte.
Der Titel kam bereits Ende 1968 heraus und bedeutete den internationalen Durchbruch des Briten, der jedoch in Geld- und Vertragsangelegenheiten so schlampig agierte, dass er sich auf kommerziell nutzlosen Tourneen in den USA verausgaben musste. Zum Dank bekam er für „With A Little Help…“ noch lediglich einen mageren Platz 68 in den Charts, während in seiner Heimat wie auch in Deutschland die Single sich hervorragend verkaufte. Obwohl er im Jahr darauf das Highlight beim Woodstock-Festival war und er zu einer der Ikonen der einstigen Love- & Peace-Jugendkultur wurde, sollte es ganze 13 Jahre dauern, bis ihm mit „Up Where We Belong“ (zusammen mit Jennifer Warnes) erneut ein Hitparadenerfolg gelang.
Seine Verdienste um die Popmusik sind heute nunmehr unbestritten. Und wenn man eines seiner Konzerte besucht, sieht man einen alten zerknautschten Mann mit wenig Haaren auf dem Kopf. Vielleicht sind es auch nur ganz kurze Momente, die durchscheinen – aber in jenen hat man den gnadenlos gestikulierenden Zappelphilipp von jenem verregneten Sonntag im August 1969 wieder vor Augen. Und damit ein Stück Musiklegende…
Aktuell: Joe Cocker verstarb am 22. Dezember 2014 an den Folgen einer Lungenkrebs-Erkrankung.
Urteil: Leidenschaftlich und charismatisch vorgetragenes Popstück, dessen eher zu vernachlässigende Text wie simple Komposition dem Charme seines Interpreten untergeordnet sind.
Jan
Eigentlich hätten Joe Cocker bzw der Arrangeur dieser Version einen Autoren-Credit verdient. Denn sie haben aus einem simplen Ringo/Beatles Song ein episches Meisterwerk gemacht. Und dabei sogar den Takt verändert. Aus Ringos 4/4 Takt wurde bei Cocker ein Walzer im 3/4 Takt. Aus diesem Grund tun sich bis heute viele Amateurbands schwer, die Cocker Version nachzuspielen……