Datum | 2007 |
höchste Platzierung | 1 |
Album | Jazz ist anders |
Website | http://www.bademeister.com |
EINGÄNGIG-WITZIGE VORLAGE FÜR DIE ZOMBIE-NACHFOLGER
25 Jahre waren die Ärzte – freilich mit längerer Unterbrechung – inzwischen im Musikgeschäft. Und noch immer hatten sie ihre Fans fest im Griff: Vier Jahre nach dem letzten Nr. 1-Album „Geräusch“ schafften sie mit „Jazz ist anders“ erneut eine direkte Punktlandung an der Spitze der deutschen Charts. Und auch in den Single-Hitparaden lief alles wie am Schnürchen: Nach „Ein Schwein namens Männer“ (1998) und „Unrockbar“ (2003) gelang ihnen mit „Junge“ ihr insgesamt dritter Platz 1-Erfolg.
Das bewährte Rezept aus juvenilem Rebellentum und simpel gestricktem, ironisch unterhöhltem Herrenwitz ging auch hier wieder auf: „Junge, warum hast du nichts gelernt? Guck‘ dir den Dieter an, der hat sogar ein Auto…“ So nahmen sich Farin, Bela und Rodrigo dieses Mal jene Eltern zur Brust, deren Kinder sich dem (klein-)bürgerlichen Karrierestreben widersetzen und stattdessen mit „Löchern in der Hose“, gefärbten Haaren und „elektrischen Gitarren“ offensichtlich lieber an einer Laufbahn als Punkrocker arbeiten anstatt an die Uni zu gehen oder eine Tierarztpraxis zu eröffnen: „Und immer deine Freunde. Ihr nehmt doch alle Drogen, und ständig dieser Lärm! (Was sollen die Nachbarn sagen?) Denk an deine Zukunft, denk an deine Eltern. Willst du, dass wir sterben?“ Dazu gibt es die gewohnt plärrenden Gitarren und einen eingängigen Refrain, der selbst auf der Weihnachtsfeier des LBS-Vorstandes noch für ein konspiratives Fingerschnipsen sorgen würde.
Das Musikvideo wurde zu einem zusätzlichen Marketingcoup: Mit der Gewissheit, dass MTV und VIVA den mitunter abstoßend blutigen Zombieclip vorab zensieren würden, ließen sie gleich selbst eine „jugendfreundliche“ Version verbreiten und zugleich die Nachfrage nach der Originalversion bei YouTube entsprechend in die Höhe schnellen. Die offensichtlichen Anleihen bei „Shaun Of The Dead“ sind unübersehbar: Nach und nach bevölkern zahllose Untote in vermodderten Kleidern und pupillenlosen Augen die Szenerie rund um die drei Musiker, die zunächst noch unbehelligt ihr Stück herunterspielen, bis Farin schließlich seine Eingeweide der hungrigen Masse zur Verfügung stellt. Freilich mit Hilfe von Horror-Requisiten.
Vielleicht hätte er womöglich seine Organspenden noch ernsthaft in Betracht gezogen, hätte er bereits 2007 gewusst, welche Größen der deutschen Musikkultur den Song in ziemlich eigenartigen Abwandlungen recycleten. Zunächst ließ sich Heino dank seines skurrilen Volksmusikcovers von „Junge“ sein x-tes Comeback versilbern, dann bestätigte Soulministrant Xavier Naidoo auf eindrucksvolle Weise sein Talent, jeglichen Anflug von Ironie gnadenlos wegzusingen. Die übelsten Zombies sind oft genug gar nicht so untot, wie man immer gemeinhin animmt – manche stehen auch bei Sony Music und Naidoo Records unter Vertrag…
Aktuell (2019): Neue Single, neues Album, neue Konzerte: Nix mit Abschied – Die Ärzte haben bezüglich Karriereende noch keine Pläne.
Urteil: Unbestreitbar eine der besten Ärzte-Auskopplungen der 2000er Jahre. Wortwitz und Rockdynamik kooperieren hier auf beste Weise.
Jan
Für die sensibleren Zeitgenossen:
Für alle anderen ab 18 Jahre, die selbst „World War Z“ in 3D nicht einschüchtern konnte:
https://www.youtube.com/watch?v=8KiaQ8qpDkU&w=560&h=315
Farin, Rod und Rodrigo? 😉 Egal – schön, was von DÄ zu lesen!
LG
Wurde umgehend korrigiert. Danke für den Hinweis! LG zurück:-)