Datum 2001
höchste Platzierung  3
Album
Website http://wimmelbuchverlag.de/

PUBERTÄTSROMANTIK AUS DER BIG BROTHER-SCHMIEDE

Gerade einmal dreieinhalb Monate waren vergangen, nachdem ein gewisser John Milz die erste Staffel von Big Brother als strahlender Sieger und mit 250.000 DM auf dem Konto verlassen hatte. Nun, am 16. September 2000, begann die zweite Staffel des televisionären Menschenzoos, freilich nicht mehr mit jenem Aufschrei der Feuilletonisten und Medienwächter, die den baldigen Untergang des Abendlandes ausgerufen hatten, aber mindestens mit derselben öffentlichen Aufmerksamkeit wie während der Premierenstaffel. Unter den 17 neuen Bewohnern, wie dem arroganten Profilneurotiker Christian (dessen Stück „Es ist geil, ein Arschloch zu sein“ auf Platz 1 der deutschen Charts streng genommen die Jahrtausendwende einleitete), der hölzern dauerquasselnden Alida sowie dem rockenden Fettwanst Harry sorgte vor allem ein österreichischer Vorzeige-Jüngling, welcher ohne Frage die Sonnyboy- und Frauenflachleger-Rolle übernehmen sollte, für Aufmerksamkeit: Walter, Medizinstudent aus Lienz.

Egal was Walter auch sagte oder tat, er sah stets gut dabei aus. Selbst seine zarte Liaison mit Ebru, einer anstrengenden Mimosen-Zicke, die sich während ihres Aufenthalts laufend mit Alida in die Haare kriegte, konnte seiner Popularität nichts anhaben. Dieser österreichische Akzent, sein vereinnahmendes Lächeln und nicht zuletzt sein muskelgestählter Oberkörper ließ die Damenwelt draußen vor den Bildschirmen nur so dahin schmelzen, irgendwie konnte man sich auch nicht des Eindrucks erwehren, dieser Typ betrachtete seinen Aufenthalt in den Hürther Containern von RTL als kurzweilige Ego-Auffrischungskur mit ständig um ihn herum selig piepsenden Frauenschwärmen. Da jedoch die männlichen Zuschauer dieses Sympathiegeheische und penetrante Dauergrinsen dann irgendwann satt hatten, wählten sie ihn schon knapp fünf Wochen vor Staffelende wieder raus – und damit, oh Schreck, direkt ins nächste Tonstudio.

Wäre man gnädig, ließe sich in dem „Werk“ noch ein Rest naiver Pubertätsromantik heraushören, die uns charmant vorkäme, allerdings, es bleibt am Ende doch nur eine knapp über drei Minuten zusammenproduzierte Grausamkeit, für die man das internationale Menschenrechtsabkommen, genauer die UN-Anti-Folter-Konvention, nochmal gründlich überarbeiten müsste. Von all dem musikalischen Big Brother-Schrott, der in diesen Jahren die Republik heimsuchte, war „Ich geh´ nicht ohne dich“ sicherlich ein grandioser Tiefpunkt und schon wegen der gesanglichen Leistung kaum zu ertragen.

Aber Walter wäre ja nicht Walter, wenn er nicht auch einem solchen Verriss, zumal die Medienkarriere spätestens nach dem Ende seiner Schauspielversuche im „Marienhof“ 2003 ihr jähes Ende nahm, mit Tiroler Gelassenheit und Sonnenscheinmentalität engegnen würde. Die Nachfolgesingle wurde zu Recht ignoriert, die kümmerliche Fanpage vegetiert tapfer vor sich hin, dafür hat Walter sein Medizinstudium beendet, ist praktizierender Arzt und leitet den Berliner Wimmelbuchverlag.

Ach ja, und verheiratet ist er auch schon länger, mit der Schauspielerin Henriette Richter-Röhl. Am wichtigsten jedoch: Er singt nicht mehr!

Aktuell: Hoffen wir mal, dass er seinen Patienten, die er heute als Mediziner betreut, deutlich weniger Qualen zumutet als jenen Hörern, die sich irgendwann mal unfreiwillig seinen einzigen Hit antun mussten.

Urteil: Kurz und deutlich: Next! 1 von 10 Punkten.

Jan

 

 

Walter – Ich geh‘ nicht ohne dich
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