TEX-MEX-SCHLAGER VON DER WESTKÜSTE
Dieser kleine Ort ist schon irgendwie was Besonderes. Dabei ist es garantiert kein Wallfahrtszentrum für Partywütige oder Kurbesucher. Nein, vielmehr bietet dieser Ort (streng genommen hat es als reines Siedlungsgebiet „zu Statistikzwecken“ nicht mal wirklichen Ortsstatus) ein kleines bisschen Pazifikküstenatmosphäre mit etwas Sandstrand und tief reichenden Wäldern zu bieten. Aber dennoch pilgern einige an die Westküste der USA, eben hierhin, nach Mendocino, in diese gelebte Beschaulichkeit. Hier gibt es noch eine Künstlerkolonie, die als Relikt der Hippiezeit genauso übriggeblieben ist wie die zurückgezogene Einwohnerschaft, der man – glaubt man dem entsprechenden „Welt“-Artikel – kleidungsmäßig von den Besuchern kaum unterschieden werden kann.
Mendocino ist bis heute nicht nur ein nordkalifornisches Stück Hippiekultur, sondern vor allem ein Welthit. Und zwar so welthittisch, dass sich selbst Michael Holm daran vergreifen musste. Das Sir Douglas Quintet war eine US-amerikanische Rockband, das insbesondere mit dem Tex-Mex-Stil bekannt wurde – einer Mixtur aus texanischem Country und mexikanischer Volksmusik, die den fünf Jungs um den Bandleader Doug Sahm herum zu soliden Erfolgen in den USA verhalf. Doch vor allem in den deutschsprachigen Ländern ging es 1969 auf einmal in die obersten Chartsregionen, während man jenseits des Atlantiks bereits Genregrößen wie Tammy Wynette, die Monkees und Bob Dylan für sich entdeckt hatte. Dies stieß jedoch in jenem Land, in welchem sich im gleichen Jahr Willy Brandt zum Kanzler vereidigen ließ und der Ehebruch erstmals nicht mehr gesetzeswidrig war, nur auf geringes Interesse. „Mendocino“ war ein echter „Tex-Mex-Schlager“ mit puristischer Akkordfolge und einem weitestgehend übersichtlichem Anspruch – das kam hierzulande einfach gut an.
Oder es war dieser hinreißende Katalog an Begründungen, mit welchen im Songtext die Angebetete überzeugt werden soll, in besagtem Mendocino zu bleiben. Auf alle Fälle hat es dieser Ort – Verzeihung, dieses Siedlungsgebiet zu Statistikzwecken – hinsichtlich seiner Reputation wirklich ziemlich schwer: 1. versammeln sich hier alljährlich ein paar unverbesserliche Alt-Hippies zum gemeinsamen Pfeiferauchen, 2. hat sich das Sir Douglas Quintet von diesem fiesen Ohrwurm-Welthit nie mehr wirklich erholen können, 3. hat – wie bereits erwähnt – Michael Holm auch seinen Senf dazu abgegeben und 4. tja, ist man ja nicht mal ein richtiger Ort!
Aktuell: 1999 starb Dog Sahm und damit erlosch auch das kleine Licht am Countryrock-Himmel.
Urteil: Das ist halt so mit diesen Schlagern, die eigentlich mit dem musikalischen Anspruch der Band nicht wirklich viel zu tun haben: Sie sind verdammungswürdig, sie nerven, sie sind wie die Stechmücken im Hotelzimmer: zäh und laut und man wird sie nicht los. Armes Mendocino. 4 von 10 Punkten.
Jan