VERSTÖRENDES GEBLUBBER MIT POSITIVER BOTSCHAFT
Zuerst dachte ich ja, dass Scatman John so eine Art Mediengag sein sollte. Was hatte es nur mit diesem seltsamen Mann über 50 auf sich, der so plötzlich den Pop-Olymp ohne jeglichen Aufenthalt in einem Basislager eilig erklomm und schließlich auf dem Thron Platz nahm? Wer ist dieser Kerl, dessen Markenzeichen ein verstörendes Geblubber aus einem altmodischen Schnauzbart und ein schwarzer Filzhut sind?
Genauer betrachtet, gibt es neben Popmusik allerdings auch noch andere Stilrichtungen sich ausbreitender Druckwellen. “Scat singing” wurde einem neuen Publikum vorgestellt. Einem Publikum, dass noch nie etwas davon gehört hatte. Und es liebte es.
Am 13. März 1942 wurde in El Monte, Kalifornien, ein Junge geboren, dem ein großer Stein in den Weg gelegt werden sollte. Dieses Laster schien zunächst eine unüberwindbare Hürde darzustellen. Zum Glück schaffte es der Junge jedoch sehr, sehr viel später auf eindrucksvolle Weise sein vermutliches Unvermögen in ein Segen zu verwandeln.
John Paul Larkin stotterte so stark, dass er eine traumatische Kindheit durchlitt. Daher suchte er schließlich, wie er selbst sagte, nach einer anderen Möglichkeit, sich mitzuteilen. Er fand diese Möglichkeit durch das Klavierspielen und verliebte sich in den Jazz. Ganz besonders angetan hatte es ihm eine Ausdrucksform des Jazz, das “scat singing”. Als er 14 Jahre alt war, hörte er Ella Fitzgerald den Song “How High The Moon” singen. John war davon so begeistert, dass er sich diese spezielle Gesangsform zu eigen machte.
“The scatting gave me a way to stutter freely” („Das scatting erlaubte mir, frei zu stottern“)
Es ist ein Gesang, der die Stimme zu einem Improvisationsinstrument verwandelt. Die Worte werden zu einfachen Silben, die über die Tonleiter tanzen und jegliche lyrische Bedeutung verschwindet. Die Stimme dient nun nur noch dem tonalen Ausdruck. Hierbei wird oft parallel der gleiche Ton mit einem anderen Instrument dazugespielt. Diese Kunstform scheint geradezu wie geschaffen für einen Stotterer.
In den 1970er und 1980er Jahren verdiente John seine Brötchen als professioneller Jazzpianist im Großraum Los Angeles. 1986 veröffentlichte er sogar ein nach ihm selbst benanntes Album “John Larkin”, das für nicht-Jazzliebhaber wohl eher unbekannt sein dürfte. Wie alle Musiker, die etwas auf sich halten, sollte ihn seine Musikkarriere aber bald sehr zu schaffen machen. Er wurde Alkoholabhängig. Als ein sehr guter Freund verstarb, machte er einen Schlussstrich und bekämpfte mit der Hilfe seiner Frau die Drogensucht.
Der Song passt perfekt in seine Zeit. Wer erinnert sich noch daran, als das Radio die wundervoll programmierten schnellen Drum Samples zusammen mit leicht variierten 80er Jahre Synth-Sounds hinauspumpte und dabei meistens ein langsamer Möchtegern-Rapper seine Strophe runterbetete, wobei der Refrain ausschließlich der hübschen Gesangspartnerin vorbehalten war? So habe ich die 1990er in Erinnerung. Allerdings verzichtet John auf eine Partnerin und macht alles selbst.
Was die 1990er angeht, aller Anfang ist eben schwer. Aber ich bin froh, wie sich die Dance-Musik, oder Eurodance, weiterentwickelt hat. Und wenn diese Anfänge nötig waren, dann bittesehr. Allerdings war ich damals ein pubertierender Teenager und hatte meine eigenen Probleme. Wie alle anderen auch, stand ich auf diese Musik.
Der Song ist also an sich garnicht mal schlecht. Es gab weitaus Schlimmeres in dieser Post-80er-Welle. Außerdem liefert der Text eine positive Botschaft und strotzt vor Selbstbewusstsein. Das geht einher mit der wohltätigen Arbeit von John. Er half stotternden Menschen.
Die Instrumente sind typisch und hübsch arrangiert.
Interessanterweise kam „I’m A Scatman“ in Deutschland nur auf Platz 2, wobei es in vielen anderen Ländern der Welt auf Platz 1 kam. Dafür schaffte es dann aber seine zweite Single „Scatman’s World“ endlich auf Platz 1 in Deutschland und wiederum vielen anderen Ländern.
Aktuell: John Paul Larkin verstarb leider am 3. Dezember 1999 im Alter von 57 Jahren. Er veröffentlichte 4 Alben.
Urteil: Irgendwie hat der Song was. Eine nette Komposition mit positiver Botschaft. 7 von 10 Punkten.
Ingo