BIG BAND-GEHOPPEL
Es ist das Jahr, als die deutsch-deutsche Teilung endgültig durch den Bau der Berliner Mauer zementiert wurde, als John F. Kennedy als 35. amerikanischer Präsident vereidigt worden ist und Revolutionsführer Fidel Castro den Kommunismus in Kuba verkündete. Und was machen die Deutschen? Abseits des politischen Geschehens vergnügen sie sich mit seichtem Schlagergedudel: „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehn, sofern die Winde wehn, das wär doch wunderschön.“ Tja, und da diese mitreißende Geschichte von der Josephine und der Minna, die sich für das Wochenende doch so sehnsüchtig ein Segelturn mit ihren obskuren Bekanntschaften gewünscht haben, dann auch noch garantiert Stoff für ein tolles Schlagerlustspiel darbieten würde, kam er auch, der Film zum Hit. Oder vielmehr der Soundtrack zum Blödsinn. In der Hauptrolle ein durchaus bekannter Berliner Filmschauspieler, der in den 50er und 60er Jahren – zu Beginn seiner Entertainerkarriere – kaum ein billiges Komödienarrangement ablehnen konnte: Harald Juhnke. Unterstützt wurde er dazu noch durch die Heimatfilm-Experten Rex Gildo und Vivi Bach.
Als 1961 die Old Merry Tale Jazzband den Song zum absoluten Sommerhit in Deutschland herausbrachte, hatte dieser wahrhaftig bereits eine lange musikalische Reise hinter sich: 1929 wurde er vom Österreicher Anton Profes komponiert, dann brachte der Tanzkapellenleiter Dajos Béla eine Foxtrott-Version davon auf den Markt, wiederum später gab es einen weiteren Coverversuch durch einen gewissen Tenor namens Theo Lucas. Die Old Merry Tale Jazzband komponierte dann schließlich eine Posaunen- und Trompeten-Variante davon, die Anfang der 60er Jahre zweifellos noch mehr Ohrwurmdurchfall bei den Hörern erzeugen musste als sämtliche Rihanna-Arien der Gegenwart. Das nennt man dann aber wohl einen Tophit… Noch ein bisschen Text gefällig? „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln gehn. Allen Mädchen geht es so, in der Küche, im Büro…“
Aktuell: Unglaublich aber wahr: Die Jazzband gibt es noch, und das gleich zweimal! Während der Posaunist Addi Münster die „Addi Münster´s Old Merrytale Jazzband“ um sich versammelte, wurde Reinhard Zaum – ebenfalls Mitglied der damaligen Ursprungsbesetzung – der Kopf der sogenannten „Traditional Old Merry Tale Jazzband“. Beide, Münster und Zaum, gehen inzwischen auf die 80 zu, treten aber nach wie vor mit ihren Reunion-Bands regelmäßig auf. Für alle alternden Jazzliebhaber: Die neueste CD der Traditional-Variante kam 2012 auf den Markt und heißt „Jazz, we can.“