AFROTROMMELN ZUM SOMMERMÄRCHEN
Ach Mensch, der Herbert. Dieser schnöselige Popepiker. Dieses gute Gewissen des deutschen Liedgutes. Die nuschelnde Weltanklage aus Bochum. Seit einiger Zeit als Auftragsmusiker unterwegs – erst trommelt er die offizielle WM-Hymne zur Fussball-Weltmeisterschaft 2006 in die Hitparaden, ein paar Jahre später knödelt er uns eine Ode anlässlich der Europäischen Kulturhauptstadt Ruhr zusammen, und demnächst beschert er uns sicher noch eine feingeistige Hymne zum 24. Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis oder zum NABU-Treffen der Wanderfreunde im Dudenser Moor in 31535 Neustadt Anfang September. Oder was auch immer.
Aber der Herbert, der ist halt so. Unangepasst, querdenkend, intellektuell. Und wenn der Herbert was zum deutschen Sommermärchen beizutragen hat, dann trägt er auch was dazu bei. Zum Beispiel: „Be kata Balontan nam … oeoleoe.“ Oder „Du fühlst. Du träumst. Du fühlst, du glaubst, du fliegst.“ Oder sowas. Dazu fliegen uns nach einem melodramatischen Eröffnungsvortrag echt authentische Afro-Trommeln, ein echt emotional bewegendes Blindenpaar aus Mali und echt sowas von Fussball-Mitgröhlisches entgegen, dass dem Poldi sein Kölsch im Halse und dem Gomez seine Frisurenfestiger im Haar stecken bleiben. Na gut, Herbert, haste doch glatt wieder nen Nummer 1-Hit hingekriegt. Die Deutschen lieben halt echt Authentisches. Gesungen haben sie trotzdem andere Fußball-Zoten: „Dieser Weg“ von dem Xavier, ebenfalls so ein Authentischer mit Tiefgrund-Attitüde, oder die Sportfreunde Stiller mit „54, 74, 90, 2006“, oder dieses hanebüchene Maskottchen namens Galleo, das zumindest lustig tanzen konnte, oder nicht zuletzt dieser Typ, ach der war doch auch mal semi-prominent, wie hieß der Song gleich, „Schwarz und Weiß“? Pocher? Egal.
Aber unter den vielen offiziellen und inoffiziellen FIFA-Hymnen, welche diese nationale Selbstbeweihräucherungsparty im Sommer 2006 begleiteten, war die von Herbert quasi die offiziellste. Komisch, die vorherigen offiziellen FIFA-WM-Hymnen waren ja auch solche Fetenhits, die bis heute noch von sämtlichen Clubs hierzulande, vom Berliner Berghain bis zum Münchener P1, auf die Plattenteller geschmissen werden: Anastacia mit „Boom“, Ricky Martin „The Cup Of Life“, „Gloryland“ von Daryl Hall 1994 – ach, es wird nicht besser.
Urteil: Schluss mit Hymnen und offiziellen Irgendwas-Beiträgen, der „echte“ Herbert ist der mit Gefühl für deutsche Sprache und holprigen Refrains, unverfälschter Melancholie und erhobenem Zeigefinger. „Zeit dass sich was dreht“ ist das alles garantiert nicht. 4 von 10 Punkten.
Jan