SCHNULZENDUDLER MIT SCHUNKELGARANTIE
Ein kleiner Exkurs in die Botanik. Heute: Der Holunder. Was ihn auszeichnet? Ein kräftiger, markanter Duft. Wenn sich die Blüten zeigen, ist dies zugleich die Verkündung des Sommers. Sobald man die schwarz-blauen Beeren sieht – so sagt man jedenfalls – ist die Hochzeit des Sommers überschritten. Holunderblütentee gilt als eines der wirkungsvollsten Heilmittel. Besonders gut wirkt dieses bei Atemwegserkrankungen und Fieber. Der Beerensaft wiederum hilft im Falle von Nierenerkrankungen und Depressionen, aber auch bei hartnäckigen Erkältungen kann dieser wahre Wunder verrichten. Zweifellos, dieses Moschuskrautgewächs ist zu ganz besonderem fähig. Aber leider hilft es nicht gegen trällernde Schlagersternchen mit Hang zum getragenen Schunkeleinerlei.
Der gern heute noch so euphemistisch bezeichnete Evergreen war quasi der Soundtrack zu einem Schlagerfilmchen, der vom Film-Dienst mit folgenden markigen Worten zusammengefasst wurde: „Streit zwischen einem Seehotel und der bescheidenen Konkurrenz am anderen Ufer des Königssees. Die Kinder der verfeindeten Väter lieben sich jedoch und finden am Ende zueinander. Ein Heimatlustspiel mit zahlreichen Schlagereinlagen, wegen miserabler Darsteller und eines hingeschluderten Drehbuchs eine Zumutung.“ (Quelle)
So weit sollte man zwar hinsichtlich der Beurteilung des 1957er Schnulzendudlers „Weißer Holunder“ nicht gehen, aber bemerkenswert nahe an der filmischen Vorlage bewegt sich schon dieses biedere Machwerk mit einem Text, für den sich selbst Stefanie Hertl zu schade wäre: „Weisser Holunder blüht wieder im Garten. Du bleibst mir treu, blühst immer aufs neu.“ Dabei war Linds Urgroßonkel einst der Klavierlehrer Ludwig van Beethovens! Die Gitta dagegen reihte sich in die Riege der 50er-Jahre-Schlagerpartisanen ein, die konsequent die Piefigkeit der deutschen Provinz in ihre Lieder hineintransportierten und damit leicht verdaulichste Kost für anspruchslose Ohren boten. Andererseits, sind wir fair: Damals wären unkonventionelle Schlagerinterpreten wie Helene Fischer oder Andrea Berg wohl in kürzester Zeit von Presse und Tugendwacht geteert und gefedert worden.
So haben letztlich Song und Gewächs eben doch eines gemeinsam: Sie sind gut fürs Gemüt, sie bewirken garantiert nichts Schlechtes – aber auf sie zu verzichten ist gleichfalls völlig in Ordnung.