Erasure – Ship Of Fools

Album:
The Innocents
Höchste Platzierung: 
9
Erscheinungsjahr:
 1988
Albumcover:
Musikvideo:
CHICKEN MCNUGGETS MIT MELODRAMATIK

In der zweiten Hälfte der 80er Jahre schossen sie in jedem Jahr ein neues Album heraus, nahezu unermüdlich pressten sie alles auf den Markt, was Drumcomputer und Synthipianos so hergaben: Waren Depeche Mode so etwas wie der Feinkostladen des Elektropops, galten Erasure eher als bessere Fastfoodkette, viel preiswerte Kost, wenig Hochklassiges. Dabei verknüpfte beide Bands vor allem die Personalie Vince Clark: Dieser startete seine Karriere einst bei Depeche Mode, bevor er die Gruppe 1981 verließ und nach einigen Zwischenstationen mit Andy Bell Erasure gründete. Nicht wenige sahen in jenen Zeiten auch eine gewisse musikalische Verwechslungsgefahr, dazu wurden beide lange Zeit auch nicht besonders von den Musikkritikern geschätzt. Soviel zu den Gemeinsamkeiten.

Das dritte Album „The Innocents“ war 1988 der Auftakt zu einer beeindruckenden Serie von Nr. 1-Hits in den britischen LP-Charts, ganze vier Platten hintereinander schafften Clark und Bell an die Spitze. Wenn man nach dem farblosen Einheitsbrei geht, den Erasure auf „The Innocents“ ablieferten, muss man schon rätseln, wo die Vielseitigkeit der britischen Musikkultur Ende der 80er Jahre abgeblieben war: 13 Songs, die zwar durch die stimmliche Bandbreite des Sängers Andy Bell gekennzeichnet sind, aber sonst in einem Fluss von gallertartiger Keyboardessenz, voneinander kaum unterscheidbar, zerbröseln. Es sind nur wenige interessante Momente, in denen Clarks Hang zu simplen Melodieverläufen den Hörer in ihren Bann ziehen: „Ship Of Fools“ wäre so ein Beispiel.

Hier zeigt sich, dass eben jene erwähntes Breitenspektrum von Bells Gesang in balladesker Form hervorragend funktionieren kann: dunkle Intonationen, melodramatisch vorgetragene Höhen, das lässt endlich mal den durchcomputerisiert-sterilen Sound etwas in den Hintergrund treten. Deutlich besser als das spätere Balladen-Pendant „Always“, aber weitaus schwächer als die verstörend-epische Klaviatur, auf der Martin Gore in „A Question Of Lust“ beispielsweise spielt – oh Mist, schon wieder ein Vergleich mit Depeche Mode.

Aber es sind dann doch die kleineren Pophymnen wie „Ship Of Fools“, mit denen das Duo den dauerhaften Einzug in die Tiefkühltheken des Popbusiness geschafft haben. Und auch wenn Sebstian Brants geniales Meisterwerk aus dem Spätmittelalter garantiert nicht Pate für Titel und Text des Songs stand – hier darf die Symbolik des Narrenschiffs auch mal zum Zwecke der Beschreibung einer offensichtlich misslungenen Liebschaft heruntergedeutet werden: „Oooh, do we not sail on the ship of fools! Oooh, why is love so precious and so cruel?“ Exemplarisch, so waren und sind Erasure noch heute: Auch inhaltlich gibt es statt hochwertigem Rinderfilet zumeist doch nur Chicken McNuggets auf die Hand.

Urteil: „Ship Of Fools“ ist Synthipop, den man in der getragenen Variante gut verdauen kann. Nach mehrmaligem Zähneknirschen und gutem Durchkauen: 6 von 10 Punkten.

Jan

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