Datum 1994
höchste Platzierung 4
Album There Is A Party
Website http://www.djbobo.ch

MENSCHELNDES EURODISCO-GEMÜSE

Manchmal stellen auch Schweizer Boulevardjournalisten den richtigen Interviewpartnern die richtigen Fragen. Ein treffendes Beispiel findet man bei der BLICK, dem BILD-Äquivalent der Eidgenossen. Im Jahr 2013 stellte sich D.J. BoBo den Fragen des Revolverblattes. So wollten die Reporter u.a. wissen: „Fühlen Sie sich als Musiker unterschätzt?“ Peter René Bauer, gewohnt schlagfertig, gab sich bescheiden: „Es hat mich nie gestört, belächelt zu werden. Ich kann es irgendwie nachvollziehen. Die Leute wussten schon zu Beginn meiner Karriere nicht, was sie mit diesem Eurodance anfangen sollen. Es ist berechtigt, wenn man mich nicht als Musiker im Sinn eines Kulturschaffenden sieht.“

Entwaffnend selbstkritisch präsentiert sich hier der Schweizer, und überhaupt gab und gibt es wohl niemanden, der D.J. BoBo´s offene und humorvolle Art nicht irgendwie zu schätzen weiß. Seine Konzerte übertreffen hinsichtlich des Spektakelfaktors jede Friedrichsstadt-Revue um ein Vielfaches, die Choreographien sind zum Teil sehr ansehnlich und hübsche Tänzerinnen säumen auch regelmäßig die Konzertbühnen, die er betritt. Vielleicht war es wohl stets der einzige Makel, dass zu diesen opulenten Showfeuerwerken auch die entsprechenden Musikproduktionen gehörten – Tanz-Hits aus dem Schmelztiegel des verderblichen Eurodisco-Gemüses. Direkt aus dem Kühlfach. Beispiel gefällig?

„Let The Dream Come True“ ist ein gnadenlos präzise aufbereitetes Dancefloor-Produkt für die Massen: drei Akkorde, klare schnörkellose Hookline und ein Text zum Vergessen: „Not a broken heart, now we gonna start, it’s for me and you, let the dream come true“ heißt es im Refrain, und D.J. Bobo rappt dazu weltumarmende Verse, die jeder professionelle Motivationskünstler problemlos in sein Programm aufnehmen könnte. So erklingt in sonorem Schwyzerenglisch: „Up and down, here we go don’t look back just let if flow, up and down, don’t lose your crown, what goes up, must come once down…“ Tja, und auch im Musikvideo menschelt es gewaltig. Frau mit Kind, Kind verschwindet, Mann nimmt sich Kind an, Frau findet Kind, am Ende sind alle glücklich. Dazwischen hopst und hoppelt der 26jährige auf einem heruntergekommenen Fabrikgelände mit beeindruckender Energie und großem Fleiß.

Mit dem Song landete D.J. BoBo in Deutschland auf Platz 4, in der Schweiz erreichte er die Spitzenposition in den Charts. Verdient, unverdient? Egal. „Meine Musik hatte sowieso noch nie eine Lobby – sie war schon immer Trash“, gab D.J. BoBo in einem Interview mit fr-online.de zu Protokoll – um daraufhin nicht doch von seiner gewohnten Bescheidenheit ganz kurz abzuweichen: „Ich liebe es, wenn alle anderen das Gefühl haben, sie sind besser – aber wir die Hallen füllen.“

Aktuell: Der Schweizer ist auch 2019 auf Tour. „KaleidoLuna“ führt ihn durch ganz Europa. So heißt im Übrigen auch sein aktuelles Album.

Urteil: Für Eurodisco-Nostalgiker wie eine Beethoven-Symphonie, für alle anderen ein kunstloses Tanzbein-Happening mit überschaubarem Anspruch. Aber ganz ehrlich: Irgendwie dann doch letzteres. Oder?

Jan

 

D.J. BoBo – Let The Dream Come True
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