Chris Roberts – Ein Mädchen nach Maß

Album:
Die Maschen der Mädchen
Höchste Platzierung: 
5
Erscheinungsjahr:
 1970
Albumcover:
Musikvideo:

PRÜDE LIEBELEI EINES MÄDCHENSCHWARMS

Wer immer behauptet hat, der Schlager von Chris Roberts sei eine einzige Gute Laune-Artillerie, deren Gehalt in die extremsten Niederungen des musikalischen Anspruchs herabreiche und allenfalls Verdummungserscheinungen hervorrufe – ja, der irrt: Immerhin wird auf seiner Website erwähnt, dass Gassenhauer wie „Du kannst nicht immer 17 sein“ oder „Ich bin verliebt in die Liebe“ sogar das Langzeitgedächtnis demenzkranker Senioren anspricht – wenn man dem Bericht eines Fans Glauben schenken darf. Abseits der therapeutischen Wirkung von Roberts´ Gute Laune-Packungen muss man sich allerdings schon die Frage stellen, welches Phänomen diesen bayerischen Schlagersänger umgab.

Es muss wohl einfach diese Mischung aus Mädchenschwarm und Schwiegermuttertraum gewesen sein, dieses Bieder-Brave, das in jener Zeit der Schlaghosen, Koteletten und Plateauschuhe für ein tiefsitzendes Wohlbefinden im Konsumenten hervorrief. Während die Rolling Stones, Deep Purple und Glamrock-Bands wie T. Rex den Zeitgeist der juvenilen Protestkultur zementierten, machte es sich die ältere Bevölkerung in der Frohsinns-Hängematte von Dieter Thomas Hecks „ZDF-Hitparade“ bequem und ließ sich dankbar von Rex Gildo, Karel Gott und eben Chris Roberts benebeln. „Ein Mädchen nach Maß“ ist darum auch politisch so ungefährlich und von prüder Liebelei-Koketterie geprägt, wie es sich eben gut verdauen ließ: „Ein Mädchen nach Maß, das mir nur gehört, ist ein Typ, der mir prima gefällt. Ein Mädchen nach Maß, das mich nur betört, wär die dufteste Sache der Welt.“ Das ist richtig schön schunkelig – übrigens ein besonderer Charakter von Roberts´ Oeuvre, dieses unglaublich fröhlich Schunkelige, das, egal ob Ballade oder schnellere Mitstampf-Nummer, allerdings immer erstaunlich gleich klang.

1970 landete Roberts zudem mit dem Klamaukfilm „Wenn die tollen Tanten kommen“ einen riesigen Kinoerfolg. Die Darsteller im Film trugen solch ulkige Namen wie Rudi, Beppo, Uschi, Fritzi und Muschi, zu den illustren Teilnehmern gehörten neben Chris Roberts auch Musik- und Show-Größen wie Rudi Carrell, Ilja Richter und Christian Anders.

Für die einen war und ist dieser Film eine gequälte Ansammlung furchtbar unlustiger Gags, für andere eine herrlich anarchistische Spaßattacke ohne jede Hemmung. So ähnlich funktioniert es auch mit Hits wie „Ein Mädchen nach Maß“, der heute genauso polarisieren dürfte. Während jedoch Kollegen wie Rex Gildo und Roy Black die Rolle des schmusigen Schlagerstars nur widerwillig verkauften, war Chris Roberts ein absolut überzeugter Vertreter seiner Genrezunft. Und dies ist er bis heute geblieben, vielleicht wirken deshalb seine Lieder so unbeschwert und fröhlich, funktioniert diese samtig-weiche Stimme wie ein einziger klebriger Zuckerguss, und ist selbst dieser Song wirklich nichts anderes als das, was er will: Etwas mehr als 3 Minuten geistige Entspannung und intensive Gemütspflege.

Vielleicht hilft er ja auch bei Kopfweh und Gliederschmerzen? Schon getestet?

Aktuell: Sein letzter aufsehenerregender Auftritt war 2012 bei der VOX-Reihe „Cover My Song“, nach der er auch schnell neue Songs hinterherschickte. Seine „Fanbase“ bleibt ihm auch bis zum heutigen Tage treu. Mit oder ohne Demenzerkrankung.

Urteil: Schunkel-Schlager, der sich nahtlos in die Hit-Reihe Roberts´ einreiht und porentiefreine Mitklatschstimmung erzeugt. Heute nur noch schwer erträglich und zudem kein gewichtiger Beitrag auf 70er-Revival-Samplers, im Gegensatz zu einigen anderen seiner Gassenhauer. 4 von 10 Punkten.

Jan

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