Bruce Low – Und es weht der Wind

Album:
Höchste Platzierung: 
2
Erscheinungsjahr:
 1956
Albumcover:
Musikvideo:
DUTZENDWARE FĂśR FERNWEH-SCHLAGER-FANS

In jenem Jahr, in dem in der UdSSR die Entstalinisierung eingeläutet wurde, als in Georgien, Polen und Ungarn Demonstrationen und Aufstände gegen die sozialen Missstände von den sozialistischen Regimes brutal niedergeschlagen wurden und die ersten italienischen Gastarbeiter nach Deutschland kamen – in jenem Jahr 1956 singt uns ein 43jähriger Niederländer etwas vom Wind. Vom Wind? Vom Wind! „Und es weht der Wind übers weite Meer und mit dem Wind die Wolken wandern.“

Ein wagemutiges Statement zum verabschiedeten Wehrpflichtgesetz, mit dem die Bundeswehr begründet wurde? Ein sentimentaler Beitrag zum plötzlichen Tode des Schriftstellers Bertolt Brecht? Oder ein Appell an die Regierungen, die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten voranzutreiben? Nein, es geht tatsächlich und lediglich um – Wind.

Und so wird durchweg unpolitischer wie strikt unmetaphorisch gehaltener Schmalz über das zerrüttete Deutschland vergossen, und hätte es damals schon die Vielzahl niederländischer Samstagabend-Shows gegeben, wie sie in den 90er Jahren auf deutschen Bildschirmen grassierten, er hätte mit Sicherheit eine davon moderiert: Bruce Low. Er sang, was man ihm vorlegte (Western- und Cowboymusik wie „Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand“) und spielte, was man ihm andrehen konnte (Heimatschnulzen wie „Wenn am Sonntagabend die Dorfmusik spielt“), und als er merkte, dass man ihn nicht mehr mit Freddy Quinn und dessen ebenfalls basslastigem Gesang verwechselte, verschwand er einige Zeit von der Bildfläche. Rechtzeitig zur Gospel-Renaissance in den 70er Jahren tauchte er dann wieder auf.

Aber zurück zu „Und es weht der Wind“: „Wenn der Regen peitscht mit dem Sturmgebraus und wenn das Ruder bricht, eines Tages komm ich zu Dir nach Haus, Jahr ein, Jahr aus, dich vergess ich nie.“ Braucht es noch tiefergehende Analysen zu diesen bewegenden Zeilen? Wir konstatieren: Dutzendware des Schlager-Genres, mit ein paar musikalischen Anleihen an bereits erwähnte Western-Thematik, und doch wieder mal die Sehnsüchte der Deutschen nach endlos weiten Meeren, Schifffahrt und ewig herumreisenden Kapitänen aufgreifend. Was Quinn, Valente & Co. im Wirtschaftswunderland der Nachkriegszeit vermochten, war für den gospelnden Niederländer keine große Herausforderung und so gelang Bruce Low sein zweiter Riesenhit nach „Wenn die Sonne scheint in Texas“ aus dem gleichen Jahr.

Ein Zugeständnis an das Schlagereinerlei der 50er Jahre? Wenn dieser schon sein muss, dann – und dies sei an dieser Stelle mal ohne Häme erwähnt – wenigstens mit dieser sonoren Stimme. Auch wenn sie wirklich wie jene von Freddy Quinn klingt…

Aktuell: Bruce Low starb 1990 in München. Ein postmortales Comeback à la 2Pac und The Notorious B.I.G. ist derzeit nicht zu erwarten.

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