Datum | 1986 |
höchste Platzierung | 4 |
Album | Truthdare Doubledare |
Website | – |
STIMMUNGSTRACK EINES AUSLAUFMODELLS
Es war zweifellos ein schweres Erbe, das John Foster da antrat. Wohin sollte es nun überhaupt mit der Band gehen? Politisch ambitionierter Protestdisco-Pop wie bisher oder leichtfüßigere Chartstauglichkeit ohne Tiefgang? Welche Wahl hatte Bronski Beat schon nach dem Abschied von Jimmy Somerville, dem unbestrittenen Kopf dieser britischen Band, anno 1986? Es schien sich eine unüberwindliche Kluft zwischen Somerville und dem Rest der Band gebildet zu haben, wie man den Worten des Wahl-Schotten anhand dessen Biografie entnehmen kann: „Das Verständnis für die Bedürfnisse zu- und untereinander fehlte. Mir wurde klar, dass, wenn wir so miteinander arbeiten wollen, unsere Freundschaft stärker sein müsste. Das war nicht der Fall. Außerdem hatten wir die Chance als Vorgruppe auf der Madonna ‚Like A Virgin‘-Tournee zu spielen. Ich allerdings wollte das nicht. Dadurch habe ich die anderen beiden angepisst, und entschloss mich zu gehen.“ (Quelle: Jimmy Somerville International Fanpage).
Und so ging er auch tatsächlich, nämlich zu den Communards und setzte dort jenes politische Anliegen mit zwei weiteren „Schwuchteln und sieben Hetero-Frauen“ (Zitat Somerville) fort, das er einst bei der Band Bronski Beat begonnen hatte. Deren übrig gebliebenen Bandmitglieder Steve Bronski (der seiner Gruppe den Namen verlieh) und Larry Steinbachek brauchten nun also einen neuen Leadsänger, und bekamen ihn mit dem bereits erwähnten John Foster. Statt „Schwuchtel“-Pop nun Stimmungstracks, statt eines herausragenden Albums wie „The Age Of Consent“ mit intensiv wie authentisch vorgetragenen Statements zu den schwierigen Lebensbedingungen von Homosexuellen eine uninteressante und gewöhnlich klingende 80er-Jahre-Synthie-Platte ohne jede Langlebigkeit wie „Truthdare Doubledare“. Statt der mitfühlenden Verzweiflung eines „Smalltown Boys“ heißt es nun „Dance dance on the floor“.
Dabei ist gegen „Hit That Perfect Beat“ kaum etwas einzuwenden: Bravorös wird man in Tanzlaune versetzt, mit hohem treibendem Bass und einprägsamen Refrain. Foster bemüht sich gar nicht erst, dem charakteristischen Falsett-Gesang von Somerville irgendwas Vergleichbares entgegenzusetzen, sein Gesang bleibt kühl und lässig, und so kommen auch nahezu alle Songs des zweiten und letzten Studioalbums daher. Die zweite Auskopplung „C´mon, c´mon“ stellt hierbei einen echten Höhepunkt der ausgelassenen Freude dar, wo im entsprechenden Musikvideo in einer plastischen Karibikkulisse Gummibananen geworfen werden und Kokosnüsse miteinander plaudern, während Foster auf einer Kunstpalme sitzt und die tanzenden Komparsen anfeuert. Bitter. Das Ende dieser Band war quasi besiegelt.
Was schrieb Somerville noch über die Songs von Bronski Beat? Es waren „keine lyrischen Meilensteine, aber echte und ehrliche Gefühle für so viele Menschen.“ Mit „Hit That Perfect Beat“ und dessen Nachfolgern gingen den Liedern nun auch die Gefühle verloren…
Aktuell: 1995 gab es den letzten Comebackversuch, der kläglich scheiterte. Damit dürfte die Band auch offiziell als endgültig aufgelöst gelten. 2017: Der ehemalige Keyboarder Larry Steinbachek starb im Dezember 2016. Er erlag einem Krebsleiden.
Urteil: Wie gesagt, welche Wahl hatte die Band schon? Völlige Neuorientierung, dafür aber auch totale Beliebigkeit: „Hit That Perfect Beat“ war der letzte große Hit, ein ordentlicher Synthidance-Kracher mit viel Tempo und natürlich – Beat. Nicht mehr und nicht weniger, für Bronski Beat zugleich das verdiente Aus.
Jan