Datum 2014
höchste Platzierung 10
Album All This Bad Blood
Website http://www.bastillebastille.com

MUTIG-KRUDE EURODISCO-KASPEREI

Es soll Leute geben, die Bastille langweilig finden. Und jene Leute, welche die Band gut fänden, seien keine wirklichen Musikfans. Das sind schon eigenartige Behauptungen, die der Journalist vom Guardian in seinem Portrait ĂĽber die Briten unterstellt. Mitnichten langweilig, wird man inzwischen sagen mĂĽssen, denn diese Band um Sänger Dan Smith hat ihre Indiepop-Nische gefunden und besetzt diese recht souverän. Vor allem hat es den Anschein, als hätte BandgrĂĽnder Smith, dessen alleiniges Projekt Bastille letztlich weiterhin ist, ĂĽberhaupt kein Interesse daran, sich irgendwelchen falschen oder ĂĽberzogenen Erwartungen aussetzen zu wollen. Schon allein deshalb kann es sich Smith, der Englische Literatur an der University of Leeds studiert hatte, auch leisten, ganz profan und skrupellos die beiden 90er-Jahre-Clubkracher „Rhythm Is A Dancer“ von Snap sowie „The Rhythm Of The Night“ von Corona zu einem quirligen wie auch etwas wundersam anmutenden Alternative-Mash-Up zusammenzukleistern. Das Ergebnis heiĂźt „Of The Night“.

Während in den ersten Sekunden das verfremdete Thema von Snap erklingt, präsentiert sich der überwiegende Part des Songs als Corona-Cover. Der verzerrte Leadgesang, der schleppende Beat und die dezent eingebauten Techno-Effekte wirken etwa so, als hätten sich The Killers, Scooter und Sven Väth zu einem kreativen Tete-à-tete in den Frankfurter Studios nahe des Kaiserlei Kreisels getroffen und nach Dutzenden Whiskey Cola und Red Bull sämtliche Aufnahmespuren übereinandergelegt und in einem Mix verbraten. Dass es nicht schiefgegangen, sondern sogar überaus gelungen ist, dürfte vor allem Smiths charakteristischem Gesang zu verdanken sein, der die etwas krude Soundkasperei im Hintergrund mit einer nahezu unschuldigen Gesangsfärbung aufzuwerten weiß. Wenn schon die 90er Eurodance-Niederungen wieder aufleben lassen, dann auf diese besondere Weise.

Bandmitglied Will Farquarson sprach später von einem „Experiment“, das aus Interpretationen beliebiger Songs aus den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hervorgegangen war und bei den Fans schlieĂźlich sehr gut ankam. Die Kritiker waren nahezu euphorisch: Aus diesen Dancesongs ein so dunkles, atmosphärisch dichtes und vielleicht sogar etwas unheimlich wirkendes StĂĽck zu arrangieren, zeugt schon von einer Begabung, viele Ideen und Gedanken in eine solche Neuinterpretation zu investieren. Dazu passt das Musikvideo: Der Kommissar (gespielt von James Russo) besichtigt verschiedene Tatorte, in denen er Leichen findet, die plötzlich den Refrain „This is the rhythm of the night. The night, oh yeah!“ mitsingen, bis er später blutĂĽberströmt jene Zeilen rezitiert. Produzent Dave Ma schien wohl von Darren Aronofoskys Film „Requiem for a Dream“ inspiriert worden zu sein – ein Film, den Dan Smith ĂĽbrigens sehr schätzt. Auch die Kontakte zu Regisseur David Lynch sollen zu den engeren gehören.

Bastille also langweilig? Smith fand im Interview mit dem Guardian die richtigen Worte zum Abschluss: „I think, (…) we’ve had a really interesting year of slightly proving people wrong.“ Gut so.

Aktuell (2019): Bastille waren vor ein paar Jahren die Senkrechtstarter im Indie- und Alternativebereich. Ihr neuestes Album: „Doom Days“.

Urteil: Bemerkenswerte Auseinandersetzung mit klassischem 90er Eurodisco-Standard, der sich in „Of The Night“ als wahrlich stimmungsvolles wie mutiges Cover-Experiment wiederfinden lässt.

Jan

Bastille – Of The Night
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2 Gedanken zu „Bastille – Of The Night

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