Datum 1970
höchste Platzierung 10
Album Barry Ryan Sings
Website

AUFGEBLÄHTER POPMATSCH

Kinder können schon manchmal grausam sein. So äußerte der britische Schlagersänger Barry Ryan vor ein paar Jahren gegenüber der Zeitschrift „Bunte“, dass sein Nachwuchs die Musik des Sängers geradezu hassen würde. „Die haben mal Sachen von mir bei Youtube gesehen und haben sich geradezu ausgeschüttet vor Lachen!“, so Ryan im Interview mit dem Tratsch-Magazin. Ganz so schlimm war der aufgeblähte Popmatsch, den der Brite vor allem Ende der 60er Jahre mit Hits wie „Eloise“ oder „Love Is Love“ darbot, zwar auch wieder nicht, aber irgendwie verwundert es dann doch wenig, dass seine Werksammlung heute eher wenig Beachtung findet und selbst bei Oldieparties nicht unbedingt für Konfettiregen und endlose Polonäsenbildung sorgt. Ryans Musikstil ließe sich recht passend mit dem Titel seiner siebten Single zusammenfassen: „Kitsch“. Also einfach: Kitschmusik.

„Kitsch is a beautiful word, it’s a beautiful word, it’s a beautiful lullaby“, heißt es im Text, der auch sonst nicht gerade mit surrealen Verweisen geizt. An anderer Stelle ist beispielsweise von einer grün gekleideten Königin die Rede: „I saw a queen, all dressed in green, but I could see, she had no soul. I see the moon shining in June. What we all need is Rock and Roll.“ Die in leerer Dramatik vorgetragenen Verse werden umspült von einem orchestralen Brimborium, das dem ganzen Lied den Charakter eines Musical-Soundtracks auf preiswertem Logen-Niveau verleiht. Immerhin, dafür gab es Platz 10 in den deutschen und Platz 37 in den britischen Charts. Zu diesem Zeitpunkt war bereits abzusehen, dass Ryan in seiner Heimat nicht mehr viel reißen würde können und er fortan vor allem den deutschen Markt beglücken musste, damit das Festgeldkonto unangetastet bleiben konnte. Seinem Stil blieb Ryan bis zum Schluss bzw. seinem letzten Hit „Zeit macht nur vor dem Teufel halt“ bedingungslos treu – wofür der Sänger nun die offene Ablehnung seiner Kinder ertragen muss.

Dabei hat Ryan sich hinsichtlich seiner musikalischen Laufbahn nur an der allgemeingültigen Definition für das Wort „Kitsch“ orientiert. „Kitsch“ ist dem Duden zufolge ein „aus einem bestimmten Kunstverständnis heraus als geschmacklos empfundenes Produkt der darstellenden Kunst, der Musik oder Literatur“. Quod erat demonstrandum.

Aktuell: Einige Nostalgiefestivals beehrt der Brite noch mit seiner Anwesenheit, ansonsten macht sich Ryan inzwischen vor allem als Fotograf einen Namen. Die Liste seiner Portraitobjekte reicht von Ronald Reagan über Mick Jagger bis Sting – da scheint jemand seine späte Berufung gefunden zu haben.

Urteil: Ziemlich mauer Aufguss der Vorgängerlieder, die alle nach demselben Konzept funktionieren. Kitsch ist liebevoll angerichtete Geschmacklosigkeit, die jedoch eines niemals darf, was man leider diesem Song vorwerfen muss: langweilen.

Jan

Barry Ryan – Kitsch
Markiert in:                         

4 Gedanken zu „Barry Ryan – Kitsch

  • Barry Ryan gehört zu meiner Jugend wie die Blüten zum Frühling. Eloise war bzw. ist ein Song, der mich geprägt hat und … das hat nichts mit Kitsch zu tun sondern ist beste Popmusik aus den 70ern. Ich mag Barry Ryan und seine Songs. Danke dafür … Musik ist für mich besonders wichtig und dazu gehören auch und besonders seine Songs …

  • ich mag ihn immer noch gerne hören und kann da kräftig mitsingen. Es ist wie es ist. selbst die stones sind nicht mehr die stones und andere versuchen auch möglichst noch aktuell zu sein. was überhaupt nicht passt.

  • Barry Ryan und sein Zwillingsbruder Paul haben mit den ersten beiden Barry Ryan-Alben den Grundstein für das gelegt, was man heute als „Crossover“ bezeichnet. Sie verbanden Rock und Pop mit Klassik, was Ende der 60er noch Neuland war. Auf ihren ersten beiden Alben sind viele Ideen zu hören, wofür später Bands wie ELO und Queen gefeiert wurden. Auf „Eloise“ spielten u.a. Musiker der späteren „Led Zeppelin“. Das Problem bei den Ryans war, dass sie ihre Musik damals live nicht angemessen präsentieren konnten. Großes Orchester mit Rockband war live noch ein großes Problem. Und im TV wirkte Barry Ryan immer sehr verloren als einsamer Sänger vor der Kamera. Ab Album „3“ (mit „Kitsch“) gingen dann zunehmend die Ideen aus. „Kitsch“ war in Deutschland sein letzter großer Hit mit Bombast-Sound. Dann bewegte er sich in Richtung „Deutscher Schlager“, für viele Musikfans damals ein „NoGo“. Was ein Grund sein dürfte, warum sein Frühwerk danach in Vergessenheit geraten ist. Ein anderer dürfte sein, dass seine Musik für Coverbands kaum nachspielbar ist. Er selber ist in späteren Jahren auf Oldie-Festen mit Playback aufgetreten, was auch nicht hilfreich war….

Schreibe einen Kommentar zu Jan Schultze Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert