Datum | 1971 |
höchste Platzierung | 4 |
Album | Sticky Fingers |
Website | http://www.rollingstones.com/ |
SELBSTERFAHRUNGSTRIP UND SADOMASO
Kernige Rhythmen mit klar definierten Riffs und deutlichen Texten – die Stones waren 1971 mit ihrem neunten Studioalbum „Sticky Fingers“ musikalisch beim Bluesrock angekommen. Kein Wunder, wurde das Album doch erstmals unter ihrem eigenen Label – Rolling Stones Record – vertrieben, und der Leadgitarrist Mick Taylor stieg als vollwertiges Mitglied bei der Gruppe ein. Freilich nur fĂŒr wenige Jahre, mit einem eher unrĂŒhmlichen Verlauf und jeder Menge Drogenprobleme, aber immerhin bekam die Band nun einen robusteren Schliff und klarere Soundstrukturen – und das war auch bitter nötig, zumal die VorgĂ€ngeralben „Beggars Banquet“ und „Let It Bleed“ zum Besten gehörten, was die Briten in ihrer langen ruhmreichen Karriere auf die Beine gestellt hatten, ein gewisser Stilwechsel jetzt aber unabdingbar war, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben.
Aus „Sticky Fingers“ schaffte es tatsĂ€chlich nur „Wild Horses“ in die deutschen Top 10, andere Lieder aus diesem mitreiĂenden Album hĂ€tten es jedoch mehr verdient gehabt: „CanÂŽt You Hear Me Knocking“ wagt in seinen ĂŒber 7 Minuten ein vertrĂ€umtes Saxophon-Solo im Zwischenteil, „Sister Morphine“  entwickelt sich zum psychedelisch durchsetzten Selbsterfahrungstrip mit tief-dunklen Akkorden und bei „I Got The Blues“ mĂŒsste im Hintergrund noch lediglich ein Gospel-Chor mitmachen, damit man komplett der Melancholie verfĂ€llt. „Brown Sugar“ kommt dagegen poppig und tanzbar daher, ein perfekter Auftakt, dessen Leichtigkeit die folgenden zehn Songs nicht so richtig folgen wollen. Die Partynacht beginnt gerade erst (bevor bald die ersten Joints gedreht werden), hat man dabei innerlich vor Augen, man stellt sich regelrecht vor, wie Jagger, Wyman und Taylor im Aston Martin durch die Szeneviertel von London cruisen und dabei den Text von „Brown Sugar“ mitgrölen: „Scarred old slaver know he’s doin alright. Hear him whip the women just around midnight.“ Und: „Ah brown sugar how come you taste so good, brown sugar, just like a black girl should.“ Skandalös sind diese Zeilen noch heute, was Mick Jagger spĂ€ter in einem Interview dazu bewogen hat, sich von jenem Inhalt zu distanzieren und zu betonen, er wĂŒrde solch einen Text nicht noch einmal verfassen (siehe die britische Wikipedia-Seite).
Aber ignoriert man Jaggers PubertĂ€ts-Phantasien von MĂ€dchen, die wie „brauner Zucker“ schmecken (ganz nebenbei und sicher nur zufĂ€llig an dieser Stelle erwĂ€hnt: Auf ihrem Nr. 1-Album „Sticky Fingers“ tauchte erstmals das berĂŒhmte Zungenlogo auf) und die unverkennbar sadomasochistischen Andeutungen bleibt es ein Klassiker, der nicht nur zum festen Repertoire sĂ€mtlicher Konzerte der Stones, sondern zudem auch bis heute zu den besseren schnellen StĂŒcken der Briten gehört.
Aktuell (2019):Â 2019 auch mit Mitte 70 noch auf Tour durch die USA. Vielleicht hat die Band ja doch die Unsterblichkeit fĂŒr sich gepachtet?
Urteil: Mich persönlich spricht die eher sphĂ€rische End-60er-Phase rund um das Album „Their Satanic Majesties Request“ deutlich mehr an, aber es waren eh die glanzvollsten Jahre der Band, und da durfte auch ein vergleichsweise leichter verdaulicher Track mal drin sein. Und selbst der funktioniert heute noch tadellos.
Jan
FĂŒr die Coverbands sind „Brown Sugar“, „Satisfaction“ und „Let’s Spend The Night Together“ die reinsten Mitmachsongs des Publikums und als solche auch Höhepunkte im Konzertabend.
C.H.