HAUSMANNSKOST IM COMICGEWAND
Michael Kaluta gehört zu den Ikonen der Comicautoren-Zunft. Reihen wie „The Shadow“ oder „Starstruck“ machten den gebürtigen Guatemalteke populär wie kaum einen anderen in der Branche. 1984 bekam M.W. Kaluta, wie er sich als Berufsausübender nannte, jedoch einen ungewöhnlichen Auftrag: Die britische Progressive-Rockband Alan Parsons Project, nach nunmehr neun Jahren im Geschäft immer noch auf die öffentliche Wertschätzung wartend, bat den Zeichner um die Gestaltung des Videoclips zur Single „Don’t Answer Me“, der ersten Auskopplung aus dem siebten Album „Ammonia Avenue“. Diesmal wollte Parsons, Kopf und Produzent der Band, wohl auch den neuen Anforderungen der jungen MTV-Generation gerecht werden: Es entstand das erste Musikvideo der Band.
Als Chefdesigner und Animator sorgte Kaluta im Broadcast Arts Animation Studio dafür, dass ein kleines phänomenales Meisterwerk entstand: Angelehnt an die Comicreihe „The Adventures of Nick and Sugar“ in Florida der 30er Jahre, erzählt er die Geschichte von Nick, der dem törichten Aufreißer-Primitivling Malone die Leviten liest, als dieser sich an Nicks Schwarm Sugar heranmacht. 23 Tage lang arbeiteten insgesamt 40 Animateure an diesem 4:11-Minuten-Werk, bei den MTV Music Awards landete der Clip in der Kategorie „Most Experimental Video“ dennoch hinter Herbie Hancocks „Rockit“.
Datum | 1984 |
höchste Platzierung | 7 |
Album | Ammonia Avenue |
Website | http://www.the-alan-parsons-project.com/ |
Dass die visuelle Verkleidung oftmals viel verdeckt, was im Kern eher fade anmutet, gilt seit je her auch für viele Popstücke. „Don’t Answer Me“ ist wahrlich keine brillante Nummer des Alan Parsons Projects: Das von dem breitflächig orchestrierten Mammutsound Phil Spectors inspirierte Arrangement wirkt etwas zu überdimensioniert, gefangen in einer sich stark abnutzenden Eingängigkeit, die an die unkonventionelle Verspieltheit der Anfangstage zwischen instrumentaler Avantgarde und progressivem Tagträumerpop nicht herankommt. Das Resultat ist biedere Hausmannkost, etwas allzu nah an die Wohlfühlpop-Attitüde der Bee Gees in den 80er Jahren herankatapultiert.
In Deutschland landeten Parson, Blunstone, Cottle, Elliott und die vielen weiteren beteiligten Musiker auf einem respektablen 7. Platz, in den USA immerhin noch auf Platz 15 – und doch Großbritannien konnte trotz des unterhaltsamen Videoclips nicht viel an der neuen „Leichtigkeit“ der Formation finden, und straften es mit Platz 58. Immerhin: Nahezu die meisten seiner Hits waren in der Regel überhaupt nicht in den britischen Hitparaden gelistet.
1990 hatte Alan Parsons schließlich keine Lust mehr auf sein Studioprojekt und nahm nach 15 Jahren Abschied davon. Und M.W. Kaluta, der Comic-Typ mit dem weißen Rauschebart? Zeichnete unentwegt weiter: „Madame Xanadu“, „Marvel: Chaos War“, „Batman Gotham Knights“ und viele mehr. „Don’t Answer Me“ blieb der einzige Musikclip, zu dem der Guatemalteke sein zeichnerischen Können beitrug…
Aktuell: 2017 kam zum 35. Veröffentlichungsjubiläum „Eye In The Sky“ als überaus teures Box Set heraus.
Urteil: Gemäß des Anspruchs, den man an das Alan Parsons Project anlegen darf, fällt „Don’t Answer Me“ eher ab: beschaulich-eingängig, aber doch ziemlich gewöhnlich – so fehlt einfach das gewisse Extra.
Jan